Alles Sense
Kalter Wind wehte herein, blies die Kerzen aus und wirbelte die Karten wie Schneeflocken davon.
Die Priester hörten, daß ein sehr großer Diamant aus seiner Einfassung gelöst wurde.
DANKE.
Einige Minuten später, als nichts weiter zu passieren schien, tastete der untere Priester nach einer Zunderbüchse. Nach einigen Versuchen gelang es ihm, eine Kerze zu entzünden.
Die beiden Priester spähten durch unstet tanzende Schatten zur Statue und sahen ein Loch, dort, wo eigentlich ein ziemlich großer Diamant glänzen sollte.
Schließlich sagte der Hohepriester: »Nun, sehen wir die Sache mal von dieser Seite: Wer außer uns wird je davon erfahren?«
»Ja. Stimmt. Da hast du völlig recht. He, darf ich morgen Hohepriester sein?«
»Du bist erst Donnerstag dran.«
»Ach, komm schon…«
Der Hohepriester zuckte mit den Schultern und nahm den Hohepriesterhut ab.
»Es ist wirklich deprimierend«, sagte er und sah zur beschädigten Statue auf. »Manche Leute wissen einfach nicht, wie man sich an einem sakralen Ort benimmt.«
Tod ritt über der Scheibenwelt und landete erneut auf dem Hof einer Farm. Die Sonne berührte den Horizont, als er an die Küchentür klopfte.
Frau Flinkwert öffnete und wischte sich die Hände an der Schürze ab. Sie schielte ihren Besucher kurzsichtig an und wich verblüfft einen Schritt zurück.
»Bill Tür! Du hast mir einen ganz schönen Schreck eingejagt…«
ICH HABE DIR BLUMEN MITGEBRACHT.
Die alte Frau starrte auf blatt- und blütenlose Stiele.
AUCH EINIGE PRALINEN, VON DER SORTE, DIE DAMEN GEFÄLLT.
Frau Flinkwert blickte auf eine schwarze Schachtel.
UND DAS HIER IST EIN DIAMANT, DER DEIN FREUND SEIN KANN.
Der Kristall fing die letzten Strahlen der untergehenden Sonne ein und funkelte.
Schließlich fand Frau Flinkwert die Sprache wieder.
»Was soll das alles, Bill Tür?«
ICH BIN GEKOMMEN, UM DICH ABZUHOLEN.
»Ach, tatsächlich? Und wohin willst du mich bringen?«
Daran hatte der Tod bisher noch keinen Gedanken vergeudet.
WOHIN MÖCHTEST DU GEBRACHT WERDEN?
»Heute abend kommt nur der Tanz in Frage«, sagte Frau Flinkwert fest.
Auch darauf war der Tod nicht vorbereitet.
WAS HAT ES MIT DEM TANZ AUF SICH?
»Er ist Tradition. Wenn die Ernte eingebracht ist, findet ein Fest statt, bei dem getanzt wird. Um zu danken.«
UND WEM WIRD GEDANKT?
»Keine Ahnung. Der Dank richtet sich nicht an eine bestimmte Adresse. Ich nehme an, es ist nur allgemeine Dankbarkeit.«
MEINE ABSICHT BESTAND DARIN, DIR WUNDERVOLLES ZU ZEIGEN. PRÄCHTIGE STÄDTE. WAS AUCH IMMER DU DIR WÜNSCHST.
»Was auch immer ich mir wünsche?«
JA.
»Dann gehen wir zum Tanz, Bill Tür. Ich besuche ihn jedes Jahr. Ich werde dort erwartet. Du weißt ja, wie das ist.«
JA, FRAU FLINKWERT.
Er beugte sich vor und griff nach ihrer Hand.
»Was, jetzt sofort?« fragte sie verblüfft. »Aber ich bin doch gar nicht richtig gekl…«
SIEH NUR.
Sie blickte an sich herab.
»Das kann unmöglich mein Kleid sein. Überall kleben schimmernde Dinge dran.«
Tod seufzte. Die berühmten historischen Liebhaber waren nie Frau Flinkwert begegnet. In diesem Fall hätte Casanunda seine Stehleiter zurückgegeben.
ES SIND DIAMANTEN, WERTVOLL GENUG, UM EIN GANZES KÖNIGREICH ZU KAUFEN.
»Wessen Königreich?«
EINES BELIEBIGEN KÖNIGS.
»Donnerwetter.«
Binky trabte gelassen über die Straße zum Ort. Nach der Unendlichkeit bot ihm ein mehrere Kilometer kurzer staubiger Weg ein wenig Entspannung.
Frau Flinkwert ritt im Damensitz hinter Tod und erforschte den knisternden Inhalt der Schachtel »Dunkler Zauber«.
»Jemand hat die Rum-Pralinen genascht«, klagte sie. Es raschelte erneut. »Sie fehlen auch in der unteren Lage. Oh, ich hasse es, wenn sich jemand die untere Lage vornimmt, bevor die obere leer ist. Woher ich weiß, daß was fehlt? Weil’s auf der Innenseite des Deckels steht, was in der Schachtel sein soll, jawohl. Deshalb weiß ich, daß die Schachtel eigentlich auch Rum-Pralinen enthalten sollte. Bill Tür?«
TUT MIR LEID, FRAU FLINKWERT.
»Der große Diamant ist ziemlich schwer. Sieht aber nicht schlecht aus«, fügte sie widerstrebend hinzu. »Woher hast du ihn?«
VON LEUTEN, DIE IHN FÜR DIE TRÄNE EINES GOTTES HIELTEN.
»Haben sie recht?«
NEIN. GÖTTER WEINEN NICHT. ES HANDELT SICH UM KOHLENSTOFF: HOHE TEMPERATUR UND GROSSER DRUCK HABEN DER SUBSTANZ IHR DERZEITIGES ERSCHEINUNGSBILD GEGEBEN.
»Mit anderen Worten: In jedem Stück Kohle wartet ein Diamant auf seine Geburt?«
JA, FRAU
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