Alles so schoen rund hier - Mein erstes Schwangerschaftsabenteuer
Kaiserschnitt-Müttern«, sagt sie leichthin und raubt mir damit den letzten Rest Selbstvertrauen, wenn denn überhaupt noch einer vorhanden gewesen war. Jetzt bin ich nicht mal mehr Mutter, sondern eine Kaiserschnitt-Mutter.
»Der Körper hat einen Schock erlitten, deshalb setzt die Milchproduktion nicht so schnell ein wie nach einer natürlichen Geburt.«
Schon wieder ein Angriff.
»Und was heißt das jetzt«
»Dass er wahnsinnigen Hunger hat, deshalb weckt er Sie jede Stunde. Er bekommt nicht genug Nahrung durch das Stillen.«
Jetzt weine ich erst recht los. Ich fühle mich nicht nur dumm, sondern auch noch schuldig. Mein Baby verhungert, und ich bekomme nichts davon mit. Ich bin eine unglaublich schlechte Mutter.
»Kopf hoch«, sagt sie, »es gibt vieles, was Sie tun können, wenn Sie unbedingt weiterhin stillen wollen.«
»Sollte ich denn nicht unbedingt weiterhin stillen«, frage ich vorsichtig.
»Wir empfehlen es, die Brust ist das Beste«, sagt Sandra. »Aber in manchen Fällen ist das Fläschchen eine gute Alternative, zum Beispiel wenn die Mutter schon bald wieder arbeiten muss, eine Brustvergrößerung hatte oder keine Milch kommt.«
Ich weiß nicht, ob ich lachen oder weinen soll. All die Sorgen und Schmerzen – und jetzt ist das Fläschchen auf einmal eine gute Alternative! Inzwischen habe ich mich längst damit abgefunden, dass ich nicht perfekt bin. Gut genug reicht völlig. Trotzdem, so schnell gebe ich nicht auf. Ich bilde mir immer noch ein, die Kontrolle zu haben. Ich mache mir eine lange Liste mit Stärkungsmitteln, Tabletten und Geräten, die mir Sandra empfiehlt. Dazu zählt auch eine kleine elektrische Brustpumpe. Keine Ahnung, ob ich die kaufen werde. Sie erinnert unangenehm an jene Maschinen, mit denen man Kühe melkt. Ich rufe meine Mutter an.
»Wie war die Nacht, Liebling«, fragt sie ängstlich. Sie macht sich große Sorgen. Sie und mein Vater wollen in drei Tagen ins Ausland fliegen, und ich bin in einem erbärmlichen Zustand.
»Äh, nicht so gut.« Ich versuche, munter zu klingen, bin aber zu erschöpft, um ihr etwas vorzumachen.
»Oh, Schatz, warum denn«
Warum Nun, Mum, wenn ich das wüsste, könnte ich zufrieden sterben. Wenn Sandra recht hat, dann weil ich ihn verhungern lasse. Hoffentlich hat sie recht. Nicht, weil ich mich darüber freue, dass mein Kind Hunger hat, sondern weil ich dann wenigstens wüsste, was los ist. Denn im Moment tappe ich völlig im Dunkeln. Ich weiß nicht, warum er schreit und schreit. Ich weiß nicht, warum er immer noch jammert, obwohl ich sämtliche Ratgebertipps beherzige und dafür sorge, dass er es warm hat, satt und sauber ist. Ich weiß nicht, warum er nachts sein Gesicht zerkratzt oder mit seinem Kopf gegen meine Brust schlägt, wenn ich versuche, ihn zu stillen. Ich weiß nicht, warum er jede Stunde aufwacht. Ich weiß es einfach nicht. Ich weiß nur, dass ich müde bin. Verdammt müde. Wäre ich im Besitz von Staatsgeheimnissen, würde ich sie an den Höchstbietenden verscherbeln, und zwar für fünf Stunden Schlaf. Hintereinander. Sie wollen wissen, wo der mysteriöse, mutmaßliche Mörder Lord Luncan oder die in den Burenkriegen verschwundenen Kruger-Milionen sind Ich sage es Ihnen. Ich sage Ihnen alles, was Sie wissen wollen. In meiner derzeitigen Verfassung bin ich sogar bereit, mein Kind gegen ein Nickerchen einzutauschen. Ist das nicht furchtbar Außerdem habe ich Angst vor ihm. Ich habe Angst vor meinem Baby, so wie manche Leute Angst vor Spinnen haben. Wenn ich ihn ausziehe, um ihn zu baden, erschrecke ich jedes Mal, wie dünn er ist, wie unkontrolliert er mit seinen kleinen Ärmchen und Beinchen zappelt. Ich betrachte den schwarzen schrumpeligen
Rest seiner Nabelschnur, der aus seinem Bauch ragt. Ich säubere ihn jeden Tag. Das gehört zu den wenigen Dingen, die ich für Chris tun kann. Ich mache alles richtig. Ich habe die Kontrolle. Dann ziehe ich ihn an und nehme ihn auf den Arm. Neue Fronten tun sich auf.
Aber all das sage ich meiner Mutter nicht. Ich sage ihr nicht, dass Martin gestern Abend von der Arbeit kam und sah, dass ich mit dem Kopf gegen die Esszimmerwand lief und mich wiederholt mit der Fernbedienung schlug, bis an meinen Schläfen das Blut herunterlief. Ich erzähle nicht, wie er entsetzt dastand, während ich schrie und gar nicht mehr damit aufhören konnte, mir die Haare raufte und mir das Gesicht mit meinen abgekauten Nägeln zerkratzte. Ich erzähle ihr nicht, wie ich ihn anbrüllte, er solle endlich
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