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Alles total groovy hier

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Titel: Alles total groovy hier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Juretzka
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zugebracht als ein Mülheimer Taxifahrer vor roten Ampeln. Wenn drei Leute unabhängig voneinander in ihren eigenen Worten ein und denselben Tathergang schildern, muss man schon ein Hufschmidt von einem ErmittIer sein, nicht herauszubekommen, was tatsächlich passiert ist. Also blieb ich einfach bei der Wahrheit. Na ja. Okay, anfangs habe ich versucht, es so darzustellen, als ob Enrique seinen Kollegen Carlos mit Absicht erschossen hätte. Weil Carlos ihn hindern wollte, mich zu töten. Doch sie kamen mir drauf und wurden echt unangenehm, und ab da blieb ich dann sturheil bei dem, was sich wirklich abgespielt hatte.
    Irgendwann gingen ihnen die Ideen aus und sie fingen an, mich mit den immer gleichen Fragen zu löchern. Als mein Dolmetscher mich zum zwölften Mal »Also,bleiben Sie bei Ihrer Version?« fragen musste, verlor ich ein bisschen die Beherrschung und brüllte herum, bis sie mich packten und in eine Zelle im Keller schleiften. Bang und zu die Tür. So halb und halb erwartete ich, dass als Nächstes zwei Mann vom Spezialkommando reingestürmt kämen, um mich durchzulassen, doch im Endeffekt ließen sie mich nur bis zum Morgen schmoren, bevor ich wieder nach oben gezerrt und zusammen mit Scuzzi und Roman völlig unzeremoniell vor die Tür gesetzt wurde.
    Hufschmidt, musste ich zu meinem kolossalen Ärger feststellen, war nicht nur zu dämlich, einen wasserdichten Haftgrund vorzulegen, er war auch außerstande, ein vernünftiges Auslieferungsverfahren einzuleiten, das uns einen vom Staat finanzierten Rückflug eingebracht hätte. Stattdessen wurde sein verdammter Haftbefehl einfach aufgehoben, und Scuzzi und ich standen da, in unseren zerfetzten, verschmurgelten Klamotten, ohne einen Cent auf der Naht, und konnten zusehen, wie wir nach Hause kamen.
    Einen dicken Haufen, dachte ich.
    Ein Cousin von Roman kam uns abholen. Wir waren in allen Zeitungen, doch von allgemeinem Überschwang konnte keine Rede sein.
    Die Behörden hoben anhand der auf der Gizelle beschlagnahmten Unterlagen einen ganzen Ring von Menschenhändlern und Sklavenhaltern aus, doch so richtig schien es niemanden zu freuen, noch nicht mal die befreiten Flüchtlinge. Sie kamen - ungeachtet dessen, was sie bis dahin durchgemacht hatten - allesamt in ein Internierungslager, wo fürderhin Bürokraten auf der Grundlage schwammiger Richtlinien, dürftiger Informationen und praxisfremder Gesetze über ihre weiteren Schicksale entscheiden würden.
    Das gab meinen Bemühungen eine etwas saure Note, doch ich ließ das nicht an mich heran. Ich hatte getan, was ich konnte, und vor allen Dingen hatte ich es überlebt. Ich fühlte mich total erschöpft und gleichzeitig knisternd vor Energie.
    Man hatte mich fast gelyncht, mich mit Schäferhunden gejagt, mit Motorbooten zu überfahren versucht, man hatte auf mich geschossen, mich fast in Brand gesteckt, beinahe in Stücke gehackt und um ein Haar mit Schrot zerfetzt.
    Und ich war immer noch da und an einem Stück. Ich konnte es, buchstäblich, nicht fassen.
    Rauch stand über der Paradise Lodge. Alices Wohnmobil war fort, wahrscheinlich verscherbelt, der Rest der Anlage geplündert, und was nicht fortzuschleppen war, angesteckt.
    Romans, Romans, Romans und ihre Frauen und Sprösslinge hingen oder liefen überall herum, die unrasierten Hackfressen ausgesprochen zufrieden.
    »Ursprünglich haben wir hier gewohnt, nachdem die Marine weg war«, sagte Roman. »Dann kamen die Hippies. Dann die Guardia Civil. Die Hippies durften bleiben. Wir nicht.«
    Er stieg aus dem Wagen und schüttelte so nach und nach allem und jedem die Hand. Man sah sich um, beratschlagte.
    »Endlich wieder ein eigener Hafen«, rief Roman und grinste goldzahnlückig.
    Scuzzi stand vor dem schwarzverkohlten Fahrgestell, das den Aufbau des Hymers getragen hatte. In den ausgeglühten Resten des Fahrersitzes, Arme auf dem nackten Eisenreif des Lenkrades, saß mein Freund, der Rote Rächer, und blickte mir mit einer Mischung aus Triumph und Provokation entgegen. Ich nickte ihm freundlich zu.
    »Hast du noch Geld?«, fragte Scuzzi. Ich schüttelte den Kopf, lächelnd. Wer braucht schon Geld? Leben, Leben ist die einzige Währung, die zählt.
    »Du?«,fragte ich höflichkeits halber zurück. Kopfschütteln.
    »Plastik?« Kopfschütteln, Geste zum verbrannten Wrack.
    »Und nun?«, wollte er wissen.
    Ich winkte ab, strahlte ihn an, dann den Himmel. Leben. Was braucht man mehr. »Komm mit mir«, sagte ich, wie der gute Hirte zu einem verirrten Schaf.

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