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Alles total groovy hier

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Titel: Alles total groovy hier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Juretzka
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Brille, warf alles hoch auf den Müllberg, wo es sich nahtlos in den anderen Krempel einfügte. Scuzzi hockte sich hin, unterdrückte sein Husten und Spucken und blickte besorgt aufs Meer hinaus. Kein Laut war zu hören, keine Bewegung wahrzunehmen.
    Zuerst.
    »Undjetzt?«, fragte er, und ich machte »Schschsch.« Da war etwas ... Ein winziges Geräusch, ein Plätschern. Das Schlauchboot hatte die Bucht noch nicht verlassen, ich war mir sicher. Wer immer an Bord war, suchte wahrscheinlich noch im Bereich der Boje und des versenkten Dingis nach uns, wartete schweigend darauf, dass wir dort an die Oberfläche kamen, tot oder lebend.
    »Ganz egal, was du vorschlägst«, flüsterte Scuzzi, »aber da gehe ich nicht wieder rein.« Und er deutete aufs Wasser, über dem, wenn man extrem genau hinhörte, ein Brabbeln zu vernehmen war, ein feuchtes Blubbern, wie von einem Unterwasser-Auspuff, bei einem Außenbordmotor im Standgas, an einem Boot auf Schleichfahrt. Was nun? Mit einem mulmigen Gefühl besah ich mir das steil aufragende Chaos der Müllkippe, unseren einzigen Ausweg.
    »Du willst doch nicht etwa da hoch, oder?«
    »Wir warten noch ein bisschen«, sagte ich, im selben Augenblick, in dem draußen auf dem Wasser das Gas aufgerissen und der Suchscheinwerfer aufgeblendet wurde.
    »Komm mit!«, schrie ich und krabbelte schon bergan, folgte instinktiv der Route, die ich schon mal runter und rauf gekraxelt war, wenn auch mithilfe einer Seilwinde, und mit Schuhen an den Füßen.
    Uns barfuß und mit bloßen Händen durch Glas und Schrott nach oben zu arbeiten wurde eigentlich nur dadurch ermöglicht, dass jemand einen trockenen, tiefgestimmten Schuss abfeuerte. Schrot. Noch kam der Knall vom Wasser, doch schon der nächste würde vom Strand kommen, und wollten Scuzzi und ich uns nicht für Wochen gegenseitig Schrotkugeln aus den Hinterschinken porkeln, mussten wir schleunigst außer Reichweite gelangen, und das ließ uns bergan fliegen wie die Äffchen und Scheiß auf die ganzen scharfkantigen Bleche und Scherben.
    Der nächste Schuss fiel, wie erwartet von direkt unter uns, und so halb und halb erwartete ich, dass Scuzzi hinter mir getroffen aufschrie, doch er blieb still. Wir waren aus dem Schussbereich, hieß das. Keuchend, schweißgebadet, blutend aus Schnitten an Händen und Füßen, stoppten wir kurz inmitten angebrannt, giftig und faulig stinkender Dunkelheit und Stille.
    Unten am Strand versuchte jemand den Suchscheinwerfer senkrecht zu stellen, fluchte, weil das nicht recht gelingen wollte. Trotzdem ... »Weiter«, flüsterte ich. »Aber leise.« Ich wollte es hören können, wenn unsere Verfolger sich ebenfalls an den Aufstieg machten.
    Doch von unten kam kein Geräusch mehr.
    Dafür von oben. Eine tiefe Stimme sprach, lauschte, sprach. Jemand stand am oberen Rand der Klippe und telefonierte. Dann gluckerte etwas, und meine Nüstern füllten sich mit dem scharfen Geruch von Benzin. Wir saßen in der Falle. Schrot von unten, Sprit von oben. Ein seitliches Ausweichen war unmöglich, die steilen Felsen boten keinen Halt. Ich hätte am liebsten geschrien. Uns blieb nur eine einzige Chance: nach oben, entschlossen, sofort nach oben, bevor jemand den Sprit ansteckte. Aufwärts, schnell und gleichzeitig leise. Unmöglich, aber man versucht es dann trotzdem. Schnell ging es ganz von allein, befeuert durch wachsende Panik, auf leise wurde der Not gehorchend verzichtet.
    Jemand lachte. Ich erkannte Friedrichs Bariton. Offenbar amüsierten ihn unsere Bemühungen, der Verbrennung bei lebendigem Leib zu entgehen. Ich hob den Kopf, sah seine runde Gestalt, sah, wie er die letzten Tropfen aus dem Kanister schüttelte, bevor er ihn wegwarf und ein Streichholz anriss. Ich hechtete jetzt in Sätzen nach oben, flog geradezu über den Müll, halb blind von den Benzolgasen, mit einem höllischen Brennen in sämtlichen Schnittwunden, geschüttelt von einer Angst, die sich Griff für Griff, Zug um Zug, Meter für Meter in einen blindwütigen, berserkerhaften Hass wandelte. Es wurde mir egal, ob ich gleich umkam, aber Friedrich, der mir jetzt in die Augen sah, Friedrich musste mit mir sterben, egal, wie ich es anstellte.
    Er lachte, warf das brennende Streichholz. Es erlosch noch im Flug. Ich gewann einen weiteren Meter. Friedrich lachte nicht mehr, riss ein weiteres Streichholz an, warf es. Es fiel ins Benzin und verzischte. Irgendwo tief in mir löste sich eine letzte Reserve, und ich schoss nur so den Berg hinauf.
    Friedrich fluchte,

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