Alles total groovy hier
wie ausgestorben. Keine Funzel brannte, kein Strandfeuer.
»Fahr durch bis ans Wasser«, sagte ich. »Und blende die Scheinwerfer auf.«
Wir stoppten am Strand, Fernlicht eingeschaltet, vor uns die Bucht. Leer, so weit das Auge reichte. Die Gizelle war fort. Hatte ihren Anker gelichtet und war davongesegelt. Obwohl, nein. Nicht gesegelt. Die Windstille hielt immer noch an.
Ich stieg aus und ging geradewegs ins Meer. Die Schnitte in meinen Fußsohlen brannten vom Salzwasser, dann die in meinen Fingern, doch es interessierte mich nicht.
Sobald es mir bis zum Bauch ging, ließ ich mich nach vorn sinken und das Wasser über meinem Kopf zusammenschlagen. Über meinem Kopf und meinen Ohren. Schwach, weit entfernt und trotzdem deutlich klopfte da etwas einen emsigen, einsamen Takt. Ein Einzylinder Diesel. Sie hatten bei aller Hast der Abreise Zeit gefunden, die Benzinleitung des Zodiacs durchzukneifen und auch die Zündkabel des Außenborders rauszureißen.
Scuzzi kam mit einem Meter Spritschlauch aus dem Hymer zurück, kaum dass ich die Drähte zusammengepfriemelt und die Zündung in Gang hatte.
»Da ist nicht mehr allzu viel drin, im Tank«, meinte er, nach einem kritischen Blick, während ich die zerschnittene Leitung löste, wegwarf und den Schlauch auf die Stutzen zwang.
»Die hier sind auch alle leer«, sagte Roman, schüttelte die Ansammlung von Kanistern der Bootstankstelle durch, gab auf und begann stattdessen, das Tor zur Bucht hochzukurbeln. »Und auf dem Wagen hab ich leider nur Diesel.«
»Sieh nach dem Landrover!«, befahl ich Scuzzi. »Das ist ein Benziner.«
Kurz darauf kam Scuzzi zurück, statt eines Kanisters zwei Paddel unterm Arm.
»Der Rover ist weg«, meinte er.
»Nicht zu ändern«, entschied ich, lud Waffe und Munitionstasche ein und startete den Motor. Scuzzi sprang mit den Paddeln zu mir ins Boot.
»Du musst nicht mit«, sagte ich.
»Ach«,meinte er trocken und hockte sich in den Bug.
»Kommt bloß wieder«, rief Roman über das Aufsummen des Motors. »Ohne eure Aussagen schmeißen die mich für den Rest meiner Tage ins Loch.«
Ich nahm noch mal Gas weg.
»Du hast uns das Leben gerettet, Roman«, sagte ich, möglicherweise ein bisschen feierlich. »Sowas vergessen wir nie. Du kannst dich also fest darauf verlassen, dass wir dir jedes Jahr zu Weihnachten ein schönes Päckchen Spekulatius in den Knast schicken.«
Keine Ahnung, wo er den Stein herhatte, aber er ging haarscharf vorbei. Absichtlich, denke ich mal. Vollgas. In unserem Rücken kündigte sich der Morgen an, ein schmaler, blassrosa Streifen, doch vor uns war immer noch tiefste Nacht. Vollgas.
Scuzzi fummelte an dem Suchscheinwerfer herum, drehte ihn zu sich, ließ ihn los.
»Im Arsch«, rief er resigniert, brach eine Scherbe heraus und warf sie über Bord.
Vollgas. Im Grunde nerven mich Boote. Von Land sieht es immer so mühelos aus, wie sie dahingleiten, doch sobald man drinsitzt und es eilig hat, spürt man, gegen was für eine enorme Reibung der Motor anzukämpfen hat. Kein Wunder, dass die Dinger so viel Sprit verbrauchen. Fünf Minuten Vollgas exakt. Zündung aus, das Boot verlangsamte und kam zum Stehen. Ich kniete mich gegen die Wulst und hängte meinen Kopf über Bord, bis zum Hals ins Wasser. Das Klopfen des Einzylinders war deutlich lauter geworden, die Richtung allerdings nicht wirklich zu bestimmen. Gefühlssache. Ich startete den Motor, dachte an Hidalgo, an Schisser, an Alice und an die kleine Hope und überließ den hochkommenden Gefühlen das Steuer. Drei Stopps später war der Streifen am östlichen Horizont breit und hell genug, um etwas Licht über unsere Schultern zu werfen. Und auf den Schemen einer Segelyacht vor uns. Vollgas. Scuzzi und ich duckten uns aus dem Fahrtwind, machten uns so klein es ging für maximales Tempo. Vom Gejagten zum Jäger zu werden hat etwas Berauschendes. Endlich hat man die Initiative zurück. Einziges Problem ist ihre Beherrschung. Vollgas, unterbrochen von ersten, kurzen Aussetzern, die den Außenborder und mit ihm das ganze Boot ruckeln ließen.
Wir schafften es gerade noch, die Gizelle zu überholen und in ihren Kurs einzuschwenken, bevor uns mit einem Schlag endgültig der Sprit ausging. Quer zur Fahrtrichtung der Yacht kamen wir zu ganz leicht schaukelndem Stillstand.
Eine wunderschöne Frau stand am Steuer der Yacht, eine Kapitänsmütze keck in die Stirn gerückt. Schwarze Ponyfransen lugten unter dem Schirm hervor, hingen ihr fast bis in die grünen Augen.
Ich
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