Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Alles Umsonst

Titel: Alles Umsonst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Kempowski
Vom Netzwerk:
Pferden vollgestellt. Aber für den Wallach und die beiden Braunen fand sich noch ein Plätzchen. Wladimir mischte Hafer und Häcksel und gab den Tieren zu trinken.
    Dann holte er Vera, und sie setzten sich zu kriegsgefangenen Franzosen ins Heu. Ganz romantisch war das, beim Schein der Stallaterne. Wladimir holte aus dem Wagen eine Flasche Wermut, die ihm ja eigentlich gar nicht gehörte, und zog die Plane, mit der der Wagen bedeckt war, noch einmal richtig fest. Dann becherten sie drauflos. Sogar der Wachmann beteiligte sich daran. Er war schließlich auch nur ein Mensch.
     
    Das Tantchen klopfte an die Haustür. Peter ging um das Haus herum, aber da war auch alles verschlossen.Es dauerte eine Zeit, bis jemand kam und sie hereinließ. Da breitete niemand die Arme aus: «Kinder, da seid ihr ja ... » Kein prasselndes Kaminfeuerund kein gedeckter Tisch wartete auf sie. Eher ein Achselzucken der grundsätzlicheren Art.
    Die ganze Familie war bereits ausgeflogen, das war jetzt zu erfahren. Die waren abgefahren, obwohl sie doch hatten bleiben wollen! Es war ein Glück, daß Frau Schneidereit, die hier das Haus hütete, das Tantchen überhaupt erkannte. So früh am Tag schon Besuch?
    Zögernd wurden sie hereingebeten. Man eben eine Tasse heißer Tee und ein Stück Brot mit Zwiebelquark wurde ihnen gereicht. Nur kurz Rast machen, dann würde es weitergehen.
    Ja, der Onkel war auf und davon! Kurz nachdem er mit Georgenhof gesprochen hatte, hatte er den Telefonhörer auf die Gabel geworfen und hatte ins Haus gerufen: «Die Globigs kommen! – Das hat uns noch gefehlt!»
    Der Anruf hatte den Anstoß gegeben, er war sofort mit den Seinen davongezogen, das war jetzt zu erfahren. Sieben Wagen mit Sack und Pack!
    Er hatte gerufen: «Kinder, los-los-los! wir fahren auch.» Wochenlang gezögert und immer «I wo» gesagt, und dann konnte es ihm nicht schnell genug gehen. Im Misthaufen noch Papiere verbrannt und rumgeschnauzt und alle Wagen derartig überladen, daß die Pferde es kaum schafften. Sie kriegten die Wagen nicht vom Hof! Und dann die Pferde gepeitscht bei der Ausfahrt ...
     
    Einen Brief hatte Onkel Josef für das Tantchen nicht auf den Tisch gelegt. Die meisten Türen waren verschlossen und die Betten abgezogen.
    Das Tantchen krümmte sich also auf ein Sofa, und Peter legte sich in das Zimmer der Kusinen. Auch sie hatten keine Briefchen dagelassen.
    Drei Puppenstuben in der Ecke, jede hatte eine bekommen,damit sie sich nicht streiten. Und darüber hing ein Bild von den dreien, von demselben Maler gemalt wie das Bild von Elfie, das bei Katharina hing.
    Während sie sich ausruhten, spannten die anderen Flüchtlinge ihre Pferde ein und verließen einer nach dem andern den Hof.
     
    Gegen Mittag drängte auch das Tantchen zum Aufbruch. Alle fremden Wagen hatten den Hof verlassen, sie waren längst auf und davon. Wladimir kroch aus dem Heu hervor, auch die Gefangenen waren bereits weitergezogen.
    Sofort stellte Wladimir fest, daß Veras Holzkoffer fehlte! Die Plane war unangetastet, soweit man sehen konnte, aber der Holzkoffer war fort! Immer wieder sah er nach, auf dem Kutschbock hatte er gestanden, und nun war er fort? Das konnte doch nicht sein?
    Auch Vera konnte es nicht fassen, sie stimmte nicht gerade ein Wehgeheul an, aber sie weinte doch sehr. All ihr Hab und Gut. Gestohlen! Die Bilder der Eltern weg! Alles futsch!
    Wladimir schimpfte in die Gegend und malte es sich aus, was er mit dem Dieb machen will, wenn er ihn kriegt, er schrie es der Tante auf polnisch ins Gesicht. Bauch aufschlitzen! Augen ausstechen! Anderen hatte er mitten in der Nacht aufgeholfen, als sie im Graben lagen, und da stahl man ihm hier den Koffer!
     
    «Wenn ich den Hund kriege!» sagte Wladimir in seiner Sprache und stieß gräßliche Flüche aus, und Vera weinte still vor sich hin.
     
    Wenig später fuhren sie dann auch los. Auf der Elbinger Chaussee knirschte ein Wagen hinter dem andern vorüber. Sie versuchten, sich in den langen Zug einzureihen, das Tantchen vorneweg.
    Es dauerte, bis sie sich in die Wagenreihe schieben konnten. Ganze Dorfgemeinschaften mußten erst vorübergelassen werden, bis endlich ein alter Mann seine Pferde stoppte. Der zeigte ihnen mit der Peitsche: Los! Los! Jetzt ist’s Zeit. Er wunderte sich wohl über die sonderbare Kutsche, die da an der Kreuzung stand. Das Gefährt erinnerte ihn vielleicht an alte Zeiten? Ein Wappen an der Tür? Hatte ihn das milde gestimmt?
    Als sich dann aber noch Wladimir mit dem

Weitere Kostenlose Bücher