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Alles Umsonst

Titel: Alles Umsonst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Kempowski
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werden, nicht zu stark, sonst würde der Wagen ausbrechen ... Und hinter ihnen verschwand Georgenhof: vor dem rötlichen Horizont eine dunkle Silhouette.
    Das Tantchen guckte sich nicht um, und man blickte ihr auch nicht nach. Nicht einmal die Fremdarbeiter im Waldschlößchen lupften den Vorhang, die sich doch sonst für alles interessierten. Die schliefen dem nächsten Tag in aller Ruhe entgegen.
     
    Das Tantchen, dick eingepackt, mit der Soldatenmütze auf dem Kopf, die Beine in einem Fahrersack, links und rechts Strohbündel. Und der Wallach ein so gutmütiges Tier. Sie nahm einen Schluck aus der Flasche. Aber auf der Straße war sie denn doch erschrocken über den eisigen Wind und über die Dunkelheit. Gott sei Dank schien der Mond, und es lag Schnee, da konnte man sich ein wenig orientieren.
     
    Peter bedeckte sich mit dem Stroh, kalt war es, aber auszuhalten. Das Fernglas hatte er um den Hals, die Luftpistole im Gürtel, das Mikroskop neben sich und Tantchens Koffer und Taschen. Obenauf lag ihre Laute. Die Kusinen in Albertsdorf... «Versteck im Dunkeln» hatte man miteinander gespielt. Bleib, wo du bist, und rühr dich nicht! Auf die Kusinen in Albertsdorf freute er sich.
    Das Tantchen sah nach vorn, und er starrte durch das ovale Rückfenster, an dem verdorrten Blumenkranz vorbei, nach hinten. Er sah die beiden Braunen, die mit dem schweren Ackerwagen folgten, und als Schemen nahm er Wladimir und Vera auf dem Bock wahr.
    Der eisige Himmel, von funkelnden Sternen bedeckt, und sie fuhren knirschend über den gefrorenen Schnee dahin. ImRücken den roten Horizont. Das Grummeln in der Ferne hatte schon seit Tagen etwas nachgelassen. Ob die Mutter nicht doch noch kommt? das war die Frage. Rennt hinter dem Wagen her: Halt! Halt! Warum fahrt ihr ohne mich los?
     
    Die Büsche und Bäume an der Seite, die Spur im Schnee. Sie zuckelten dahin. Und dann holten sie, im Schnee als schwarzer Klumpen zu erkennen, einen fremden Packwagen ein, man brauchte nur auf ihn zu achten, der fuhr immer vorneweg, da konnte nichts schiefgehen.
     
    Erst einmal zu Onkel Josef nach Albertsdorf. Dann würde man weitersehen. Mit Josef würde man alles besprechen können. Ein bißchen wunderlich der Mann, aber im ganzen doch das Herz auf dem rechten Fleck. Mit der hüftkranken Frau ja auch nicht einfach.
    Das Tantchen hatte einen Plan, sie würde zunächst in Richtung Elbing fahren und dann nach Norden abbiegen, ans Haff! Sie würde das mit Onkel Josef besprechen. Hanni hatte ja auch ein gesundes Urteil.
    Saßen in Elbing nicht schon die Russen?
     
    Stunde um Stunde fuhren sie gemächlich dahin, es begann zu schneien, und es schneite in dicken Flocken, im Wind wedelten sie wie ein Vorhang hin und her, und auf der Straße kräuselten sie sich. Der Straßengraben war schon vollgeschneit, der war schon nicht mehr zu erkennen. Es war anstrengend, den fremden Packwagen da vorn im Auge zu behalten. Peter stieg zu der Tante auf den Bock, und wenn der Wallach ausrutschte, rief er: hö! hö! hö!
    Manchmal kam ihnen ein Auto entgegen, ein Lastwagen mit abgeblendeten Scheinwerfern, ein Motorrad und einmal sogarein Panzer. Um Platz zu machen, lenkte der Packwagen vor ihnen ein wenig zur Seite, und da rutschte er auch schon in den Graben!
    Anhalten? Helfen?
    Peter wollte abspringen. Aber das Tantchen sagte:
    «Nein, nur immer weiter und weiter. Dazu haben wir jetzt keine Zeit.»
    Peter sah, wie die Leutchen um den Wagen herumkrochen, riesengroß ihre Schatten im Schein der Taschenlampen, aber dann war auch schon wieder alles dunkel.
    Wladimir hielt an, der wollte den Leuten helfen, er blieb ein wenig zurück. Das Tantchen fuhr langsam weiter und hielt schließlich an. Hier mußte die alte Mühle von Johannsens stehen. Bei gutem Wetter konnte man die von Georgenhof aus erkennen. Und von der Mühle aus würde man Georgenhof sehen können.
     
    Bald schon war Wladimir wieder hinter ihnen, die Sache hatte sich erledigt.
    Je länger sie fuhren, desto mehr Wagen stießen von links und rechts dazu. Das Tantchen folgte jetzt einem mit Gummirädern bereiften Anhänger, der hatte Katzenaugen hinten dran. Wenn man die Taschenlampe kurz aufblitzen ließ, dann leuchteten sie rot in der Finsternis.
    Der Morgen graute, hinter ihnen schloß Wladimir dicht auf, der ließ niemand Fremdes dazwischen. Bloß nicht auseinanderkommen! Man würde sich ja nie wiederfinden!
     
    Ein einsames Flugzeug flog über sie hin. Hatte der Mann da oben in seiner Maschine Licht an?

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