Alles zu seiner Zeit: Mein Leben (German Edition)
ein Abenteuer sei, dem Irrtümer zugrunde lägen, für die wir schon jetzt und in der Zukunft noch lange würden zahlen müssen.
Alles begann am Tag meiner Fernsehansprache vom 25 . Dezember 1991 , als ich das Ende meiner Verpflichtungen als Präsident verkündete. Ich hatte meine Ansprache noch nicht beendet, da war Jelzin schon bereit, selbst aufs Dach des Kremls zu klettern, um die Flagge der UDSSR möglichst schnell einzuholen. Direkt nach meinem Fernsehauftritt sollten wir uns, wie zuvor abgesprochen, im Präsidentenbüro des Kremls treffen. Die Zeit verging, Jelzin erschien nicht. Ich rief ihn an. Er sagte, ich habe unsere Absprache verletzt, ich sei in meiner Rede zu stark von meinen Versprechungen abgewichen.
Jetzt, da Jelzin nicht mehr lebt und auch ich mich in einer kritischen Phase meines Lebens befinde, möchte ich sagen, dass ich ihm keinerlei Versprechungen gemacht hatte und auch nicht machen wollte. Er schlug dann vor, dass wir uns auf »neutralem Boden« treffen, in einem der Kreml-Säle, in dem sonst die Botschafter ausländischer Staaten empfangen wurden. Ich muss gestehen, dass ich ihn »zum Teufel« schickte. Gleichzeitig ordnete ich an, ihm das Schreiben mit dem Erlass des Präsidenten der UDSSR über die Übergabe der Vollmachten zuzustellen, und beauftragte den Verteidigungsminister Schaposchnikow, dem neuen Besitzer unverzüglich den »Atomkoffer« auszuhändigen.
Bei den damaligen Treffen mit Jelzin hatten wir besprochen, wie die Machtübergabe erfolgen sollte. Wir kamen überein, dass der Apparat des Präsidenten der UDSSR am 30 . Dezember seine Arbeit einstellen würde. Aber schon am frühen Morgen des 26 . Dezember stürmten Jelzin, Silajew, Burbulis und Chasbulatow mein Büro und veranstalteten ein Zechgelage »auf den Sieg«. In so etwas war Präsident Jelzin ein großer Meister. Vielleicht irre ich mich, aber mir scheint, vielen Russen gefiel das sehr. Ich glaube, ich irre mich eher nicht.
Am 23 . Dezember 1991 , als er den Erlass über die Zuteilung von Räumen für meine Stiftung unterschrieb, hatte Jelzin gefragt: »Soll Ihre Stiftung etwa die Rolle einer Oppositionspartei spielen?«
Ich antwortete: »Nein. Wenn du das weiterführst, was wir gemeinsam angefangen und worauf wir uns in den letzten Wochen geeinigt haben, dann werde ich dich sogar unterstützen und verteidigen, denn ich fühle mich nach wie vor für Russland verantwortlich. Wenn du aber eine Politik führst, die für mich unannehmbar ist und die ich für schädlich für das Land halte, dann werde ich sie natürlich kritisieren, und zwar offen und direkt, ohne irgendwelche Winkelzüge und Intrigen hinter den Kulissen.« Letzteres unterstrich ich bewusst, denn Intrigen waren Jelzins Lieblingsbeschäftigung. Aus den Büchern von Poltoranin und Korschakow kennen alle inzwischen die Rezepte, nach denen die Schmähschriften auf mich und meine Familie zusammengebraut und im Land verbreitet wurden.
Jelzin wandte sich vom Erhalt der UDSSR , vom Reformkurs und allmählichen Veränderungen der Gesellschaft ab und begann, die staatlichen und sozialen Strukturen und Mechanismen zu zerschlagen. Dadurch lieferte er das unvorbereitete Land der Konkurrenz aus und zwang es in die Knie. Er wollte zeigen, was für ein entschiedener Antikommunist er war. Ich denke, das ist ihm gelungen. Aber was die neunziger Jahre für unser Land und die Bevölkerung bedeuteten, ist allen bekannt. Leider sehen viele in Russland auch heute keinen Unterschied zwischen Entschiedenheit und Torheit.
Im März, April 1992 kritisierte ich die von ihm geführte Politik heftig. Zustimmung fand sie nur bei denen, die sich über die Auflösung der Sowjetunion freuten und wollten, dass Russland dasselbe Los ereilt. Ich wurde zu einem politischen Prozess vor das Verfassungsgericht zitiert. Mir wurde die Erlaubnis entzogen, ins Ausland zu reisen, was erst rückgängig gemacht wurde, als die Menschen in Italien, wo ich erwartet wurde, protestierten und auch in anderen Ländern das Vorgehen der neuen Führung in Russland verurteilt wurde.
In der zweiten Hälfte des Jahres, als ich erneut Jelzins Handlungen kritisierte, gab er Anweisung, den Raum, in dem sich meine Stiftung befand, zu beschlagnahmen, um ihre Arbeit unmöglich zu machen. Als die Mitarbeiter der Stiftung morgens zur Arbeit kamen, war das Gebäude von Omon-Soldaten mit Maschinenpistolen umzingelt. So hat er sich keinem anderen gegenüber verhalten. Damals schloss die Regierung der Russischen
Weitere Kostenlose Bücher