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Alles zu seiner Zeit: Mein Leben (German Edition)

Alles zu seiner Zeit: Mein Leben (German Edition)

Titel: Alles zu seiner Zeit: Mein Leben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Gorbatschow
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Schluss kam er immer wieder darauf zurück.
    Gleich nach der Plenartagung vom März entwickelten wir ein konkretes Programm für die ersten Schritte, um es bei der nächsten Plenartagung vorzulegen. Dieses Programm wurde von der Plenartagung im April gebilligt und angenommen. Es folgten meine Treffen in Moskau und dann meine Reisen nach Leningrad, in die Ukraine, nach Weißrussland und in die anderen Republiken. Mit der Reise nach Leningrad begann die öffentliche und offene Diskussion der Fragen zur Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.

Teil III
    Wie die Perestrojka aussah

12 . Kapitel
    Zeit für Veränderungen
    Mittlerweile gilt die ZK -Plenartagung der KPDSU vom April 1985 als Beginn der Perestrojka. Zwar wurde die neue Führung bereits auf der Plenartagung vom März 1985 gewählt; aber die Konzeption der neuen Politik wurde offiziell auf der Plenartagung vom April dargelegt.
    Eine ZK -Plenartagung nach der anderen fand statt, es kam zu zahlreichen Treffen. In Moskau besuchte ich das Lichatschow-Autowerk, ein Wohnviertel, das Krankenhaus und Verkaufssalons. Aber die wichtigste Unterhaltung fand im Konferenzsaal des Lichatschow-Autowerks statt. Damals sagte ich zum ersten Mal in der Öffentlichkeit, dass wir seit den siebziger Jahren immer stärker hinter den Industrieländern hinterherhinken und unsere niedrige Wachstumsrate die Wirtschaft, den sozialen Bereich und die Rüstung beeinträchtige.
    Bei den Treffen sprachen die Menschen offen und mit großer Sorge. Das war ungewöhnlich. Die Probleme kamen auf den Tisch. Die Erschließung neuer Naturressourcen in Nordsibirien und dem Fernen Osten war immer schwieriger geworden. Die demographischen Probleme hatten sich zugespitzt. Was den wissenschaftlich-technischen Fortschritt betraf, so hinkte die UDSSR eindeutig hinter den entwickelten Ländern hinterher.
    Diese Treffen stießen überall auf eine lebhafte Resonanz. Und das nicht nur, um dem neuen Generalsekretär Respekt zu zollen, sondern aus Interesse an der Sache. Die Menschen sprachen ihre Forderungen aus, weil sie auf baldige Veränderungen zum Besseren hofften.
    Sehr interessant war die Fahrt nach Leningrad. Die Leningrader waren leidenschaftliche Anhänger der Beschlüsse des April-Plenums. Die Treffen begannen gleich auf dem Moskauer Prospekt, wo sich Hunderte von Menschen versammelt hatten. Ich musste halten, aus dem Auto steigen und die Menschen begrüßen. Dann besuchte ich die großen Industriebetriebe: Elektrosila, die Kirow-Werke, Swetlana und Bolschewitschka. Auf der Ausstellung »Intensivierung- 90 « traf ich mit Lehrern und Studenten der Polytechnischen Hochschule zusammen.
    Die Ausstellung »Intensivierung- 85 ; Leningrad, 16 . Mai 1985
    Quelle: N. Adamowitsch
    Mein Aufenthalt in Leningrad endete mit einem Treffen im Smolnyj, in demselben Smolnyj, in dem 1917 die Sowjetmacht ausgerufen wurde. Die Menschen wollten Informationen aus erster Hand über die Beschlüsse auf dem März- und April-Plenum, sie wollten wissen, was die neue Führung vorhatte. Nachdem ich den Leningradern meinen Tribut für all das, was diese große Stadt und ihre Bewohner geleistet haben, gezollt hatte, sprach ich viele Probleme der Stadtentwicklung offen an und appellierte am Ende an die Bereitschaft zum Mitdenken.
    Der Gang ins Volk – mit den Leningradern, 15 . Mai 1985
    Als ich mich ins Flugzeug nach Moskau setzen wollte, überreichte mir der Leiter der Leningrader Kommunisten Sajkow eine Videokassette von meinem Auftritt im Smolnyj. Zurück in Moskau, sahen Raissa und ich uns das Treffen noch einmal aus der Distanz an. Wir waren überwältigt.
    Ich schickte die Kassette auf der Stelle an Ligatschow und bat ihn zu prüfen, wie wir es mit der Berichterstattung über die Leningrad-Reise halten sollten. Ligatschow rief schnell zurück und sagte, Simjanin und er hätten das Video gesehen und seien der Meinung, das Zentrale Fernsehen könne alles ohne Kürzungen senden.
    Ich denke, der Auftritt im Smolnyj war in vieler Hinsicht ein Meilenstein. Es war ein Präzedenzfall geschaffen worden, eine Art Messlatte für ähnliche Treffen.
    Im Juni, Juli fuhr ich in die Ukraine und nach Weißrussland – wieder Treffen und offener Dialog. Es war mir wichtig, die Meinung der Menschen in diesen Republiken kennenzulernen. Aus verständlichen Gründen: Ich brauchte ihre Unterstützung.
    Als ich im Hüttenwerk Dnepropetrowsk auftrat, wandte ich mich an die Anwesenden: »Vielleicht fragt sich jemand, ob wir uns nicht zu viel

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