Alles zu seiner Zeit: Mein Leben (German Edition)
ganz andere Richtung. Ich sagte nur: »Ich muss erst einmal alles überdenken, wenn ich in Moskau bin.«
Wir trafen unverzüglich Entscheidungen zu allen brennenden Fragen. Rohre, Zement, Baumaterialien und Ausrüstung wurden nach Westsibirien geschickt. Schnell wurde Hilfe eingeleitet, was den Handel betraf, im Wohnungsbau und Servicebereich wurden Korrekturen vorgenommen. Es gelang, das Sinken der Erdölgewinnung aufzuhalten und die Ausbeute sogar ein bisschen zu steigern. Leider sollten bald hitzige Debatten das Land überrollen, und das Begonnene wurde nicht zu Ende geführt.
Meine Treffen im Lichatschow-Autowerk und die Besichtigung von Unternehmen während meiner Reisen nach Leningrad, in die Ukraine und Weißrussland überzeugten mich davon, dass die Idee der Beschleunigung des wissenschaftlich-technischen Fortschritts bei Ingenieuren, Arbeitern und besonders bei der Jugend auf offene Ohren stieß.
Deshalb fand endlich eine Allunionskonferenz zu Problemen der Wissenschaftlich-Technischen Revolution im ZK statt. Fünfzehn Jahre waren vergangen, seit Breschnew sich für eine spezielle Plenartagung zu den Fragen des wissenschaftlich-technischen Fortschritts ausgesprochen hatte.
Die Diskussion führte zur Verständigung darüber, dass die Hauptaufgabe in einer Modernisierung unseres Maschinenbaus auf der Grundlage neuer Technologien bestand. Die Mittel zur Finanzierung derartiger Pläne waren schwer aufzutreiben. Doch schließlich konnten sie gefunden werden. Die Investitionen in den Maschinenbau wuchsen um das 1 , 8 -fache.
Besondere Hoffnungen verband ich mit den Programmen des wissenschaftlich-technischen Fortschritts im Bereich von Informatik und Rechentechnik, Entwicklung von Rotor- und Rotorfließbandlinien, Robotertechnik, Biotechnologie und Gentechnik. Diese Programme erforderten eine einschneidende Änderung der Investitionspolitik und eine ausgedehnte Kooperation mit den Betrieben der sozialistischen Länder und mit westlichen Firmen. All das wurde wie eine seit Jahren fällige scharfe Wendung aufgenommen.
Aber der Beginn meiner Arbeit bestand in der Auswechslung der Kader im Politbüro. Das hatte schon unter Andropow begonnen und setzte sich nach meiner Wahl zum Generalsekretär fort. Neu hinzu kamen Ryschkow, Jakowlew, Medwedew, Schewardnadse, Ligatschow, Worotnikow, Tschebrikow, Rasumowskij, Jelzin und später Nikonow, Dobrynin, Sljunkow, Lukjanow, Birjukowa, Talysin, Iwaschko, Girenko, Falin, Semjonowa und andere.
Der Prozess der Erneuerung der Kader erfasste auch die ZK -Sekretäre auf der Ebene der Republiken, Regions- und Gebietkomitees. Auch Ministerien und Behörden waren davon betroffen.
Der Beginn
Zu den ersten Schritten gehörte die Anti-Alkohol-Kampagne, die auf eine große Resonanz in der Gesellschaft stieß und weitreichende Folgen hatte. Die Verwunderung darüber, dass ich meine Arbeit als Generalsekretär mit diesem Beschluss begann, hat sich bis heute nicht gelegt.
Ich antworte nicht zum ersten Mal auf diese Frage, sondern erzähle noch einmal, wie es war. Schon zu Lebzeiten Breschnews hatte das Politbüro unter starkem Druck der Öffentlichkeit einen Beschluss zur Ausarbeitung eines Anti-Alkohol-Programms gefasst. Es handelte sich um ein Programm und nicht um eine Kampagne. Unter Andropow wurde die Arbeit fortgesetzt. Im Politbüro und in der Regierung wurden regelmäßig Vorträge gehalten und Anweisungen erteilt. Dasselbe geschah unter Tschernenko.
Am Beginn der Perestrojka war das Programm fertiggestellt und wurde dem Politbüro vorgelegt. Der Anhörung im Politbüro war eine Diskussion in 200 großen Kollektiven des Landes vorausgegangen. Der ausgearbeitete Komplex von Vorschlägen wurde offen auf Versammlungen der Werktätigen diskutiert.
Ich würde diese Papiere gern wiederfinden. Sie müssen irgendwo sein. An den Sinn erinnere ich mich gut. So etwas vergisst man nicht. Die Bevölkerung sprach sich ausnahmslos für unverzügliche und entschlossene Maßnahmen zum Kampf gegen die Trunksucht aus. Die Leute fragten aus ihrer leidvollen Erfahrung mit großem Befremden: Warum unternimmt der Staat nichts? Der Alkoholismus und die Trunksucht beeinflussen doch alles: den moralischen Zustand der Gesellschaft, die Produktion, den Zusammenhalt der Familien, die Erziehung der Kinder etc.
Man konnte diese Eingaben nicht ohne Erregung lesen. In vielen Regionen wurde vorgeschlagen, ein Alkoholverbot einzuführen. In den ersten Jahren der Sowjetmacht wurde das im zaristischen
Weitere Kostenlose Bücher