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Alles zu seiner Zeit: Mein Leben (German Edition)

Alles zu seiner Zeit: Mein Leben (German Edition)

Titel: Alles zu seiner Zeit: Mein Leben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Gorbatschow
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Weltgemeinschaft nicht auf den Gebrauch der Atomenergie verzichten kann. Doch wenn das so ist, muss die Anlage der Atomkraftwerke die ganze Erfahrung berücksichtigen, die wir haben. Das betrifft sowohl die Reaktoren selbst als auch das System der Lenkung und Sicherheit, aber in erster Linie natürlich die Kompetenz des Personals dieser notwendigen, aber äußerst komplexen und gefährlichen Objekte. Auch vor möglichen Terroranschlägen müssen die Atomkraftwerke sicher geschützt sein.
    Rückschlag
    Dem Schock von Tschernobyl, der die ganze Gesellschaft erschüttert und die finanzielle Situation verschärft hatte, folgte ein nicht minder schwerer Schlag: die Preise für Erdöl fielen auf 10 bis 12  Dollar pro Barrel. Unsere Deviseneinkünfte verringerten sich um zwei Drittel. Und das zu einem Zeitpunkt, da wir doch eigentlich das Entwicklungsprogramm für 1986 bis 1990 anpacken wollten.
    Im Juni 1986 diskutierten wir das Projekt der sozialwirtschaftlichen Entwicklung für den 12 . Fünfjahresplan. Es ging um weitreichende Veränderungen: Alle Wirtschaftszweige sollten auf neue Bedingungen umgestellt werden. Die wirtschaftliche Selbständigkeit der Betriebe sollte erweitert, ihre Rolle und Verantwortung erhöht und wirtschaftliche Lenkungsmethoden eingeführt werden. Diese neuen Anforderungen bedeuteten keine radikale Änderung der wirtschaftlichen Strategie. Der Fünfjahresplan stand unter der Überschrift »Beschleunigung«. Aber für die höhere Wachstumsrate, die Beschleunigung des wissenschaftlich-technischen Fortschritts und die technische Umrüstung der führenden Zweige, besonders des Maschinenbaus, brauchte es Investitionen.
    Mit der Steigerung der Haushaltsausgaben um 10  Milliarden Rubel für die Gehaltserhöhung von Lehrern, medizinischem Personal und Kulturschaffenden hatte sich die Finanzsituation weiter zugespitzt. Hinzu kam, dass die Anti-Alkohol-Kampagne die staatlichen Einnahmen um mehrere Dutzend Milliarden Rubel verringert hatte. Auch das Gesetz über die Pensionen belastete den Haushalt zusätzlich mit 45  Milliarden Rubel. Es kam eins zum anderen.
    Ich war voller Zweifel, was zu tun sei, und war drauf und dran, die Ziffern für den neuen Fünfjahresplan herunterzustufen. Ryschkow und andere Kenner der wirtschaftlichen Situation trugen sich mit demselben Gedanken. Ryschkow fragte mich: »Was wollen wir machen? Wollen wir den ausgearbeiteten Fünfjahresplan durchziehen, oder müssen wir ihn revidieren und der entstandenen Situation anpassen?«
    Wir wägten das Für und Wider ab – und kamen beide zu dem Schluss, nicht von dem Fünfjahresplan abzurücken.
    Heute denke ich, schuld daran war die Tatsache, dass sich all das am Beginn der Perestrojka ereignete, als wir große Zukunftspläne hatten. Die Pläne waren realistisch. Aber als sich die Situation änderte, änderten wir unser Herangehen nicht, und unsere Politik wurde unrealistisch. Dabei hofften wir auf die Ergebnisse eines besseren Wirtschaftens und eines effektiveren Umgangs mit den Ressourcen. Wir verbrauchten immer noch anderthalb bis doppelt so viel – insbesondere an Energie und Zement – für die Produktion wie die anderen Industrieländer. Doch um die Effektivität und Produktivität zu erhöhen, musste noch viel getan werden.
    Warnsignale
    Aus den verschiedenen Regionen des Landes kamen Briefe, die warnten, die Orts- und Gebietsorgane nähmen eine abwartende Haltung ein und blieben untätig. Vor meiner Reise in den Fernen Osten (im Juli 1986 ) hatte ich mich mit Redakteuren von Lokalzeitungen getroffen und ihnen Unentschlossenheit und mangelndes Engagement vorgeworfen. Die Reaktion waren bittere Gegenvorwürfe: »Erzählen Sie das, was Sie uns sagen, mal lieber den Sekretären der Gebiets-, Stadt- und Bezirkskomitees. Die Zeitungen sind ja Sache der Parteikomitees, und die haben mit Glasnost nicht viel am Hut.«
    Schon wieder liegt es an den leitenden Kadern, überlegte ich. Vielleicht war es ja wirklich die Haltung der Parteikader, die die praktische Arbeit vor Ort behinderte? Sie sind ein Bremsklotz … Unter dem Eindruck dieser Gedanken fuhr ich nach Wladiwostok, Komsomolsk am Amur und Chabarowsk.
    Ein kleiner Exkurs. Kürzlich sah ich einen Film über die Geschichte unserer Marine und ihr Schicksal nach dem Zerfall der Sowjetunion. In dem Film wurde hervorgehoben, dass die Menschen in der U-Boot-Fabrik in Komsomolsk am Amur von Gorbatschow Hilfe beim Bau neuer U-Boote erwartet hatten, während er sich für einen

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