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Alles zu seiner Zeit: Mein Leben (German Edition)

Alles zu seiner Zeit: Mein Leben (German Edition)

Titel: Alles zu seiner Zeit: Mein Leben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Gorbatschow
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Die Perestrojka wäre ohne Glasnost undenkbar gewesen, die demokratischen Prozesse hätten ohne die Meinungs- und Pressefreiheit nicht in Gang kommen können.
    Die überwiegende Mehrheit der Menschen in der Sowjetunion, im heutigen Russland und auch im Westen versteht Glasnost als Bedingung für die Freiheit. Für die sowjetische Führung bedeutete sie, anzufangen, dem Volk die Wahrheit über den Zustand des Landes und die Welt zu sagen. Aber sie war vor allem ein Instrument, um den neuen politischen Kurs zu erklären und das wichtigste Mittel, um die Menschen zu einer aktiven, selbständigen und bewussten Tätigkeit zur Erneuerung der Gesellschaft zu bewegen. Da wir die Perestrojka als Prozess demokratischer Umgestaltungen begonnen hatten, mussten auch die Mittel ihrer Umsetzung demokratisch sein. Glasnost war das Mittel, um die Menschen in die Politik einzubeziehen und sie an der Schaffung eines neuen Lebens zu beteiligen. Glasnost ist eine große Leistung der Perestrojka. Unter dem Einfluss und den Bedingungen von Glasnost und der durch sie gewachsenen Meinungsfreiheit hat sich die Gesellschaft von der Angst befreien können.
    Nicht immer war das Politbüro auf der Höhe von Glasnost. Einige fanden, sie »provoziere das Volk zu wahlloser Kritik an der Partei und an unserer Geschichte«. Häufig, besonders außerhalb der offiziellen Sitzungen, wurde Unzufriedenheit über die Ungeniertheit der Presse und die rücksichtslose Art der Journalisten geäußert, die auch vor Kritik bekannter verdienter Persönlichkeiten nicht zurückschreckten. Es meldeten sich Stimmen, die forderten, der Presse einen Maulkorb umzuhängen. Sie beanspruche die Rolle eines Richters, nehme auf nichts Rücksicht und maße sich einen forschen Stil an, ohne eine verantwortungsvolle Analyse der Ereignisse und Fakten zu liefern.
    In dieser Kritik steckte ein Quäntchen Wahrheit. Wie hat Václav Havel doch so richtig gesagt: »Die Meinungsfreiheit birgt immer eine Gefahr in sich, denn neben der Freiheit des Guten gibt es immer auch die Freiheit des Bösen.«
    Glasnost brachte die ökologischen Probleme an die Oberfläche. Man kann nicht sagen, dass das bis dahin ein vollkommen verbotenes Thema war. Auch unter Stalin wurde über die Reduzierung der Waldflächen und die Bedeutung der in diesem Zusammenhang auf Geheiß des »großen Steuermanns« geschaffenen Waldschutzzonen geschrieben. Unter Chruschtschow kam es zu Protesten gegen Versumpfung und Bodenversalzung. Unter Breschnew wurden von Zeit zu Zeit Hinweise auf die drängendsten ökologischen Probleme veröffentlicht – der Baikalsee, der Aralsee, der Ladogasee, das Kaspische Meer und das Asowsche Meer.
    Bekannte Schriftsteller engagierten sich im Kampf für den Naturschutz in den wichtigsten Bereichen – Valentin Rasputin am Baikalsee, Sergej Salygin an der Wolga, Olschas Sulejmenow im Nuklearversuchsgelände in Semipalatinsk, Viktor Astafjew an den Seen und Flüssen in Sibirien, Wasilij Below an den nordrussischen Seen, Iwan Wasiljew im Gebiet zwischen Oka und Wolga (der Untergang des Dorfes ist der Untergang des Landes – so lautete das Leitmotiv seiner brillanten Artikel). Glasnost deckte die in der Gesellschaft vorherrschende Psychologie des verschwenderischen Umgangs mit der Natur auf: Für uns heute Lebende reicht es.
    Die Öffentlichkeit erfuhr, dass in 90  Prozent der Städte, also praktisch in allen Industriezentren der Sowjetunion, die Schadstoffe in der Luft die zulässige Norm stark überstiegen. Eine Welle der Empörung ging durch das Land, als bekannt wurde, dass dadurch das Erbgut der Bevölkerung gefährdet ist.
    Die Arbeit musste angehalten werden, und ein Teil der 1300 Betriebe, die für die Verschmutzung verantwortlich waren, wurde geschlossen. Betrieben, deren Produktion für die Versorgung unerlässlich war, wurde nahegelegt, Maßnahmen zur Einhaltung der ökologischen Vorschriften zu ergreifen. Viele wurden jedoch für immer geschlossen.
    Es gab auch übertriebene Forderungen. Einige Fanatiker forderten, die künstliche Bewässerung ganz einzustellen. Ich beruhigte die Gemüter: Jawohl, es stimme, dass wir die langfristigen Folgen der derzeitigen Eingriffe nicht absehen könnten, aber das Wasser rational zu gebrauchen, sei eine Selbstverständlichkeit. In Amerika, wo das Klima sehr viel günstiger sei als bei uns, würden 25  Millionen Hektar künstlich bewässert. Es habe keinen Sinn, gegen die Bewässerung an sich Sturm zu laufen, sondern die Methoden müssten

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