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Allmählich wird es Tag: Roman (German Edition)

Allmählich wird es Tag: Roman (German Edition)

Titel: Allmählich wird es Tag: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franka Potente
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so viele Fotos gemacht, dachte er.
    Immer wieder Peter im Hintergrund. Manchmal Doreen. Er betrachtete das Bild genauer. Wollte etwas finden, das er übersehen hatte. All die Jahre.
    Liz und Peter hatten sich immer gut verstanden. Er band die stille Liz in Gespräche ein, brachte sie zum Lachen. Dennoch unterhielten sich meist die Männer untereinander. Niemals hatte er auch nur im Traum daran gedacht, dass Peter und Liz ein Verhältnis haben könnten. Der Gedanke war immer noch absurd.
    Er trank den Scotch in einem Zug aus. Dann nahm er das nächste Album zur Hand. Blauer Stoffumschlag. Abgewetzte Ecken. Knisterndes Pergamentpapier zwischen den Seiten. Er zögerte, es zu öffnen, hatte Angst vor dem, was er sehen könnte.
    Fuck it.
    Er schlug es auf.
    Die Männer wieder beim Grillen. Jahre später. Peters Hand auf Tims Arm, beide lachen in die Kamera. Gebräunt. Entspannt. Bier in der Hand. War das in Heffners Garten?
    Bei genauerem Hinsehen kam ihm Peters Lachen falsch und oberflächlich vor. Hatte er sich jahrelang in ihm geirrt?
    Das nächste Bild zeigte Peter und Liz tanzend. Ihr achtundzwanzigster oder neunundzwanzigster Geburtstag. Zusammen mit Peter hatte er eine Überraschungsparty organisiert.
    Sie hatten mit Freunden im Garten gefeiert.
    Peter zwinkert dem Fotografen verschmitzt zu, während Liz auf ihre Füße schaut. Ihr Haar wieder schulterlang. Peter hält Liz fest im Arm. Eine Hand ruht auf ihrem Rücken, fast auf ihrem Po.
    Tim schaute sich das Foto näher an. Was für ein Idiot er doch gewesen war! Das Bild war 1991 entstanden. Hatte die Affäre bereits begonnen? Er bezweifelte es.
    Hatte Doreen davon gewusst? Doreen war immer gutmütig gewesen. Ein Fels in der Brandung. Schwer zu glauben, dass Peter sie so hintergangen hatte.
    Er blätterte weiter. Dereks Einschulung. Einige Urlaubsfotos aus Mexiko. Liz im Bikini mit Sonnenhut. Derek mit großem Softeis.
    Ein verwackeltes Bild von ihm und Liz vor einer Kirche. Sie im zartrosa Sommerkleid mit Sonnenbrille. Sein Arm um ihre Taille. Der Kopf angeschnitten.
    Derek musste das Bild gemacht haben. Sie hatten eine herrliche Zeit gehabt. Zwei Wochen Cabo San Lucas. Strand, Entspannung, Familie. Im Hotel gab es nachmittags eine Kindergruppe. Wann immer der Sohn untergebracht war, zogen sie sich zurück. Tranken Cocktails. Hatten Sex. Machten kleine Ausflüge zu zweit. Er erinnerte sich, dass sie viel gelacht hatten in dem Urlaub. Undenkbar, dass Liz da bereits eine Affäre hatte.
    Dann ein Bild im Schnee. Derek, etwa elf Jahre alt. Ein alter Mann daneben. In dicker Winterjacke aus schwarzrotem Flanell. Die strengen Züge seines Vaters, an die aufrechte Haltung erinnerte er sich gut. Stolz hatte der Alte einen Arm um seinen Enkel gelegt. Im Hintergrund das rote Haus, in dem Tim aufgewachsen war. Die verschneite Veranda.
    Dann ein Bild von Tim mit seinem Vater. Momente später entstanden. Steif. Der obere Bildrand schnitt ihre Stirnen ab. Die Arme berühren sich nicht. Bemühtes Lächeln auf seinem Gesicht. Er erinnerte sich, wie kalt es an dem Tag gewesen war. Sein Vater stand mit geöffnetem Mund da, den rechten Arm erhoben. Angestrengter Blick in die Kamera. Offenbar hatte er Derek Anweisungen gegeben, worauf er beim Fotografieren zu achten hatte. Eine tiefe Falte teilte seine Stirn.
    Liz hatte damals durchgesetzt, den Alten zu besuchen. Er hat ein Recht darauf, seinen Enkel zu sehen, hatte sie gesagt.
    Tim bestand darauf, bei Agnes zu wohnen. Ein Hotel kam nicht infrage, und beim Vater im Haus wollte er auf keinen Fall wohnen.
    Merkwürdig, wie leicht es ihm gefallen war, Agnes zu ignorieren. Ihre verhärmte, unterwürfige Art ließ sie fast unsichtbar erscheinen. Das empfand er bis heute so.
    Drei Tage Jasper. Kalt, ungastlich, langweilig. Dank Liz war es ihm aber gelungen, größeren Streitereien aus dem Weg zu gehen.
    Der Vater mochte sie. War weicher, wenn sie dabei war. Sie hatten das Grab der Mutter besucht. Es ging ein schneidender Wind. Der Friedhof war zugeschneit, das Grab vereist. Derek schlitterte auf dem zugefrorenen Grab herum, bis Tim ihn am Arm packte. Ungewollt hart. Das Kind weinte. Liz schwieg, aber ihr Blick war missbilligend. Sie legte den Arm um Derek und ging zurück zum Wagen.
    Er musste zurückdenken an seine frühe Jugend in Jasper, geprägt von Angst um die Mutter. Und Wut gegen den Vater. Endlose Nachmittage in seinem Zimmer. Musik über Kopfhörer. Poster an der Wand. Schule. Die Mutter war immer still. Stand am Herd in ihrer

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