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Allmählich wird es Tag: Roman (German Edition)

Allmählich wird es Tag: Roman (German Edition)

Titel: Allmählich wird es Tag: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franka Potente
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betrachtete sie ihn. »Dachte, Sie gehen campen? Von ’nem Boxkampf war nicht die Rede!« Sie lachte rau.
    Er musste mitlachen.
    Sie stand auf und ging zur Theke, um einen Teller zu holen. Zwei Eigelb glänzten neben krustig braunem Bacon. Er tunkte den Toast ins flüssige Gelb. Sie betrachtete ihn dabei.
    »Sie sehen echt mitgenommen aus. Ein Bier?«
    »Bin in eine Prügelei geraten. Sie waren zu fünft.« Warum eigentlich nicht. Er konnte es ihr auch erzählen.
    »Shit!« Ihre stark geschminkten Augen weiteten sich. »Auf dem Campingplatz?«
    Nicken. Das letzte Stück Bacon. Das Bier war herrlich kalt. »Haben Sie die Cops gerufen?« Sie band sich die Schürze um. »So was … Wo ist man noch sicher?« Besorgtes Kopfschütteln.
    Er zögerte. Warum sollte er bei der Wahrheit bleiben? Die Lüge kam spontan. »Bin selbst Cop. Auf Urlaub. Wäre peinlich gewesen.«
    Sie lachte überrascht, salutierte. »Verstehe, Officer.«
    »Sergeant.«
    Sie musterte ihn respektvoll. »Wer hätte das gedacht! Nicht, dass ich jetzt Ärger kriege wegen des Rauchens hier?«
    Er winkte ab.
    Aber ihre Neugier war geweckt. »Und jetzt haben Sie frei, Sergeant? Lassen sich auf dem Campingplatz verprügeln? Da stimmt doch was nicht!«
    »Ein Kollege von mir ist letzte Woche erschossen worden. Ich kam zu spät. War ein Freund.« Fühlte sich nicht gelogen an. Zu nah dran. Überraschend füllten sich seine Augen mit Tränen. Die Lüge hatte ihn wie eine sanfte Woge näher an den Schmerz gespült.
    Er sah an die Decke. Schnäuzte sich.
    Verständnisvoll rieb sie ihm die Schulter. »Verstehe. Das ist hart.« Ihr Mitgefühl war echt.
    Er trank das Bier. Hatte im Moment nichts mehr zu sagen.
    Es drängte ihn plötzlich zu zahlen. Er wollte zurück zum braunen Zimmer. Meeresrauschen.
    Sie winkte ab. »Nächstes Mal.«
    Die Stunden bis zum Nachmittag verliefen zäh. Innere Unruhe schob die braunen Wände zusammen. Die Stille war erdrückend.
    Er ging den Strand entlang. Der Wind zerstreute die Gedanken.
    Die Kühle minderte den Schmerz.
    Er humpelte immer noch. Trat vorsichtig auf. Der Strand war menschenleer. Harter Sand unter den Füßen. Es war bewölkt. Möwen kämpften um leere Muscheln. Schwarzbraun verklebter Seetang. Der Horizont verwischt. Nichts.
    Einige Meilen legte er zurück. Erinnerte sich, dass er das Handy ins Meer geworfen hatte. Einen Schritt vor den anderen. Langsam. Stunden vergingen. Kein Mensch, nirgends. Er könnte irgendwo sein. War nie ein Fan vom Meer. Jetzt war er dankbar dafür, dass es ihn ablenkte.
    Das eintönige Rauschen, die Bewegung. Wellen, die kamen und gingen, ohne Anstrengung. Er fühlte sich klein. Beruhigt irgendwie. Als er einige Surfer im Wasser sah, lachend, kehrte er um.
    Die Gedanken wanderten zu Peter zurück. Zwei Jahre. Zu spät für Beileid. Was würde er Doreen sagen? Er musste sie anrufen.
    Nein, er musste nichts. Irgendwann würden die Antworten auf unbeantwortete Fragen unbedeutend werden.
    Nichts war geblieben. Ein Stück vom Sohn, ja. Sonntage. Golf.
    Und das Haus.
    Es würde Kraft kosten, neu zu beginnen.
    Verdammt. Er musste sich setzen.
    Als er zurückkam, herrschte angenehme Stille im Zimmer. Der Fernseher war aus.
    Er schlief bis zum frühen Abend. Arme und Beine von sich gestreckt. Ein T -Shirt über das lädierte Gesicht gelegt. »Do not disturb« draußen an der Tür.
    Später, nach einer kalten Dusche, fühlte er sich besser. Er würde in der Bar nebenan essen. Das letzte saubere T -Shirt. Sneakers und Jeans. Er blickte in den Badezimmerspiegel. Die Bartstoppeln überdeckten die blaugrünen Flecken an Kinn und Kiefer. Schorf lag auf den Schnitten an Stirn und Nase. Die Schwellung am Auge grün jetzt.
    John McClane, dachte er. Fehlte nur die gezückte Waffe.
    Motor Bar.
    Ein langer Tresen in schummrigem Licht. Barhocker, dreibeinig.
    Zapfanlage, unzählige Flaschen Hartes an der Wand. Eine handbeschriebene Tafel: Burger mit Salat $ 8,99. Hotdog $ 4,99. Corndogs $ 3,99.
    In der Mitte des Raums runde Tische, spärlich besetzt. Ein älteres Paar, Bier trinkend. Zwei junge Typen, die über ein Handy gebeugt dasaßen. Zwei junge Paare, die Frauen in Sommerkleidern. Angeregte Unterhaltung. Ein älterer Typ warf Münzen in die große Jukebox vor dem Toiletteneingang. Improvisierte Bühne hinten. Jemand schloss einen Verstärker an, baute Mikrofone auf.
    Tim setzte sich an die Bar. Er bestellte einen Burger und Bier. Der Barkeeper, tätowiert, dünn, musterte ihn misstrauisch.
    Er hatte

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