Alpenkasper
angelegt, da ist die Hoffnung immer ein bisschen kleiner als in den anderen Fällen.«
»Was ist die rechte Mafia?«
»Wissen Sie gar nichts? Ja, nun, was soll ich erklären? Die strukturieren sich immer besser. Das sind nicht nur ein paar kleine braune Glatzen, die blöd wählen, das ist inzwischen eine internationale Nationalbewegung mit richtig Macht und Einfluss und ich weiß nur, dass der Birne da kräftig rein gerührt hat. Normalerweise überlebt man das nicht. Trinken Sie einen Kaffee mit?«
»Lieber Tee.«
»Hab ich nicht.«
»Sie haben es doch auch überlebt.«
»Erstens: Die Frage ist, ob es überhaupt die Rechten waren. Zweitens: Ich mein, das waren Deppen, die waren zu klein, die durften nicht viel anrichten. Ich war 40 Jahre lang Richter, immer Strafsachen, meistens Jugendgericht. Mein ganzes Leben lang: Nur fünf Jahre waren ausgenommen, da hab ich ganz was anderes gemacht. Da war ich Hotelier. Fünf Jahre und 100 Prozent Auslastung. Und oftmals waren wir überbucht!«
»Ganz schön erfolgreich. Warum haben Sie aufgehört?«
Der Alte lachte leise, aber von innen heraus. »Blutauffrischung – leider auch für Vollzugsanstaltsleiter.«
»Dafür haben Sie aber noch viel Vertrauen in Ihre Mitmenschen.«
»Wieso?«
»Sie öffnen mir Ihre Tür, Sie setzen mich in Ihr Wohnzimmer, Sie erzählen mir Ihr Leben. Was wäre, wenn ich Sie abstechen und ausrauben wollte?«
»Dann wäre es halt so. Lachen Sie, wenn ich sage: Der Herrgott beschützt mich. Wenn er mich nicht mehr hier haben will, dann schickt er einen Engel, der mich zu ihm holt.«
»Ich lache überhaupt nicht. Ich finde das schön.«
»Sehen Sie. Das bedeutet ja nicht, dass ich mich hierher setze und die Hände in den Schoß lege. Eigentlich ist noch so viel zu tun, wenn ich mir das recht überlege. Da reicht ein Leben gar nicht aus.«
»Sie engagieren sich für Zivilcourage.«
»Nicht nur das, mein Freund. Ich engagiere mich gegen den Werteverfall, gegen den Religionsverlust. Sie lächeln immer, wenn ich so rede. Lachen Sie mich aus?«
»Ganz im Gegenteil. Ich finde es ausgesprochen bewundernswert.«
»Mit Ihrem Bruder Birne konnte man eine Menge anfangen, aber im Kern hat er’s nicht kapiert. Der war noch auf der Suche, ist ja keine Sünde, noch zu suchen. Ich war früher auch ein anderer und ich bin froh, dass ich unter Menschen kommen konnte, die mich auf den Weg gebracht haben: Freunde und vor allem Feinde. Von den Feinden lernen wir, indem wir uns abgrenzen. Pflegen Sie Ihre Feindschaften. Haben Sie viele Feinde?«
»Geht so.«
»Kämpfen Sie. Ecken Sie an.«
»Haben Sie eine Ahnung, wo ich meinen Bruder finden kann?«
»Guter Anfang. Wenn Sie ihn aufrichtig suchen, stecken Sie innerhalb von ein paar Tagen bis zum Hals im Schlamassel, das verspreche ich Ihnen.«
»Was treibt er denn?«
»Er treibt sich vor allem mit eigenartigen Personen rum. Nun gut, er ist erwachsen, er muss wissen, was er tut. Es ist nicht das erste Mal, dass er zündelt, und wenn er sich dabei verbrennt, dann ist das auch nicht das erste Mal. Dennoch ist er ein prima Kerl, ich arbeite gern mit ihm. Trinken Sie einen Whisky mit?«
»Untertags bitte keinen Alkohol.«
»Dann hab ich gedacht, ich hab eine echte Menschenkenntnis, dann können Sie gar nicht der Bruder vom Birne sein. Oder ist einer adoptiert gewesen?«
»Birne hätte jetzt Schnaps getrunken?«
»Wir hätten zu zweit die Flasche leergemacht. Das war halt noch ein Polizist. Sie sind keiner, nicht wahr?«
»Ich schreibe.«
»Sehr gut, da fällt mir was ein. Sie meinen sicher, wenn Sie sich hier umsehen, dass der Alte eine Menge Zeit hat und alles tun kann, wonach ihm der Sinn steht und wozu ihm ein Leben lang die Zeit gefehlt hat; keineswegs. Kaum habe ich täglich auch nur das Nötigste verrichtet, ist es nachmittags fünf Uhr und Zeit für den Whisky. Dabei hätte ich noch so viele Pläne. Da kommen Sie mir in den Sinn: Hätten Sie nicht Zeit und Lust, mir abends, so ab fünf ein bisschen zuzuhören, wie ich Ihnen aus meinem erfüllten Leben erzähle, ein bisschen mitzuschneiden und mir dann daheim meine Memoiren aufzuschreiben? Ich zahl gern was dafür. Da ist eine Menge ungesagt und es wär so bedauerlich, wenn ich das mit hinüber nehmen müsste zum Herrgott.«
»Gern.«
»Ich hätte es nicht geahnt am Morgen beim Aufstehen, aber es wurde ein Glückstag für mich. Jetzt trinken wir aber einen.«
»Meinetwegen. Zur Feier des Tages.«
Der Alte stellte die Flasche ab, bevor er
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