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Alpenkasper

Titel: Alpenkasper Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willibald Spatz
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sein Glas füllen konnte. »Augenblick. Da ist wieder jemand an der Tür. Ich geh kurz runter nachsehen.«
    Jakob hatte nichts gehört. Heinz Horst verschwand. Jakob blieb zurück mit dem Schnaps. Im Raum eine mannshohe Schrankuhr, Versteck fürs siebte Geißlein, auch ausgewachsen. Im Regal eine Reihe griechischer und lateinischer Dichter im Original, benutzt, nicht angestaubt. Das Bild vom Bischof von Augsburg rahmte ein Rosenkranz, auf einem Tischchen eine Marienstatue aus Lourdes. Von unten ein leichter Schlag wie ein Besen, der auf einen Teppich fällt. Ganz leicht. Jakob hörte durch die offene Tür und das Treppenhaus keine Stimmen nach oben dringen. Er stand auf und ging zwei Schritte zur Tür. Eine auffällige Stille. Über roten Teppich zwischen bemalten Vasen schwebte er nach unten. Und in dem roten Teppich ging rein farblich auch die Blutlache unter, in der Heinz Horst lag, direkt vor seiner Haustür, die weit offen stand, um den einsetzenden grauen Nachmittagsregen einzulassen.
    Jakob untersuchte den alten Mann – er war tot, nichts mehr zu machen; er blutete, weil er seinen Kopf aufgeschlagen hatte beim Fallen nach hinten, er war gefallen vielleicht wegen eines Infarkts, vielleicht weil ihn jemand umgeworfen hatte. Jakob trat in den Garten und fand dort niemanden, am Zaun lehnte sein Fahrrad, es war kaputt getreten worden, unfahrbar gemacht. Jakob untersuchte den Schaden, er konnte nichts machen, er stand auf, um im Haus ein Telefon zu suchen und den Notarzt kommen zu lassen. Hinter ihm stand ein Fremder, streckte ihm seine Hand hin und fragte mit osteuropäischem Akzent: »Gehen wir?«
    »Ich kann nicht weg hier.«
    »Wieso sollte ich dich dann hier abholen?«
    »Mich soll niemand hier abholen.«
    »Birne?«
    »Ich bin nicht Birne.«
    »Nicht Birne?«
    »Da drin liegt ein Toter.«
    »Und Birne?«
    »Der Tote ist nicht Birne. Haben Sie diesen Mann erschlagen?«
    »Du bist doch blöd.« Er schmiss Jakob in die Reste seines Fahrrads und rannte davon. Jakob stellte sich träge auf und eilte hinterher, doch der andere war verschwunden. Jakob kehrte zurück.
     
    Clemens saß mit im Auto. Er schwieg und suchte nach einem Radiosender. Jakob saß hinten und konnte seinen Blick nicht von der Tätowierung in Clemens’ Nacken abwenden.
    »Tut mir leid, aber mir ist ehrlich gesagt niemand eingefallen, den ich hätte anrufen sollen. Die – wer auch immer das war – haben in ihrer Wut mein Fahrrad zertreten, der alte Mann war ihnen nicht genug. Ich kann mir die Reparatur nicht leisten, ich zeig dir meinen Kontoauszug.«
    Katharina schaute geradeaus in den einsetzenden Berufsverkehr. Clemens hatte eine Station gefunden, die ihm CCR spielte. Bad Moon Rising. Bad Moon keine Frage. Katharina war elegant geschminkt. Die roten Lippen spiegelten das Rot der Ampeln wider.
    »Du, ich möcht das nicht mehr, dass du weiterforschst, das bringt dich in Gefahr. Was hat der Alte wissen können? Birne kommt wieder, wenn er es für richtig hält und wenn nicht, dann ist die Welt jetzt ohne Birne.«
    »Nein. Er ist mein Bruder und dein Verlobter, er ist wahrscheinlich in Gefahr.«
    Clemens lachte auf, das erste, was er sagte, war: »Haben sie dich jetzt nicht unter Mordverdacht?«
    »Das kaputte Fahrrad entlastet mich. Der Notarzt sagt, es war wahrscheinlich ein Herzinfarkt, kein Mord. Wir brauchen keine Polizei.«
    »Und der Typ? Was war das für ein Mann?«
    »Er hat Birne gesucht wie wir. Wir sind so nah dran. Wir haben ihn praktisch.«
    Clemens lachte wieder, sagte aber nichts, dafür Katharina: »Fahr doch, du Pisssack, grüner wird’s nicht. Scheiß Oberhauser Ampelschaltung.«
     

Party
    Um sieben schien die Sonne noch, die ersten feinen Menschen fanden sich im großen Haus des Stadttheaters zur Premiere ein. Unter die Erwachsenen mischten sich immer mehr salopp gekleidete Jugendliche, die die im Stück verhandelte Gruppe repräsentierten. Jakob hatte sich hergemacht, ein kariertes Hemd und ein hellblaues Sakko im Schrank gefunden. Dergleichen angezogen, sah Jakob aus wie ein Total-Deplatzierter oder ein Extrem-Künstler. Er senkte seinen Kopf tief über den Büchertisch im Foyer, blätterte konzentriert in einzelnen Büchern und ließ gelegentlich einen Blick zu auf die anwachsende Menge Publikum. Fünf vor halb klingelte die Glocke zweimal und Jakob eilte zielstrebig zu seinem Platz, rechts vorne im ersten Rang, kein teurer Platz, wenn man ihn regulär erstehen musste, aber dennoch gute Sicht über die komplette

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