Alpenkasper
das glaube ich doch nicht.«
»Doch, doch. Manchmal denke ich mir, ich bin nicht mehr als ein Bündel Ängste, was mich und mein Handeln ausmacht, ist zu 83 Prozent von Angst bestimmt und nur der kleine Rest – 17 Prozent – ist freier Wille oder was auch immer, das heißt, man müsste noch die Lust auf Sex abziehen, nicht allerdings die Angst, keinen abzubekommen, die zähle ich zu den 83 Prozent oder noch besser: Sie macht einen wesentlichen Teil meiner Angst aus, ein kleiner Rest ist Sterbeangst.«
»Aber dann kommen Sie ja gar nicht mehr dazu, frei zu handeln.«
»Früher habe ich geglaubt, ich könne mich für irgendetwas entscheiden und ich habe geglaubt, ich müsste mir diesen Zustand der täglich tausend neuen Möglichkeiten bewahren. Inzwischen merke ich, dass das eine Illusion ist. Das, was ich täglich entscheiden kann, sind ein, zwei Kleinigkeiten, die auf mein Leben in Wirklichkeit keinen Einfluss haben. Die großen Weichenstellungen nehme ich nicht vor, nur früher habe ich mir eingebildet, ich sei das. Aber in Wirklichkeit ist alles so hohl und verlogen und je länger man sich mit einer Sache beschäftigt, desto lächerlicher erscheint sie mir. Das gilt für den Beruf genauso wie für Menschen.«
»Das klingt alles sehr deprimierend. Wie kommt es, dass Sie nicht in dieser Zimmerecke liegen und den Tag hindurch wimmern?«
»Ich habe zu Gott gefunden. Nicht zuletzt durch die Hilfe meines Bruders.«
»Und was bedeutet das konkret für Sie?«
»Das weiß ich noch nicht, aber jetzt bin ich mir sicher, dass nichts geschieht hier unten ohne den Willen Gottes, dass nichts sinnlos ist, auch wenn es uns so erscheint, weil Gott plant und lenkt und wir erst Zeit brauchen, um diesen Plan zu erkennen und zu verstehen. Und bis wir ihn verstanden haben, hilft uns der Glaube und das Vertrauen, und vor allem die Liebe. Alles, was ich im Moment sicher über mich sagen kann, ist: Ich liebe. Und als ich noch nicht geliebt habe, war alles falsch, was ich getan habe.«
E N D E
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