Alpenkasper
arbeiten. Schließlich stehen sie auf derselben Seite beim Bedienen des Publikums. Aber gut, wie Sie meinen, die Professionalität geht in Ihrem Handwerk immer stärker verloren. Man muss sparen, überall. Am besten, wir schreiben uns die Artikel selbst und Sie drucken sie in Zukunft nur noch. Spart man noch mehr und es steht wenigstens die Wahrheit im Blatt und nicht irgendwelches Zeug, das irgendwo zusammengeklaubt und halb verstanden wiedergegeben worden ist. Ich schmeiß mich jetzt mal ins Volksbad, muss sein. Networking ist alles. Sind Sie Samstag auch vor Ort?«
»Was ist da?«
»Ich hab Ihrer Redaktion bereits eine Info schicken lassen. Wer kümmert sich denn da drum? Was dieser Stadt echt abgeht, ist eine vernünftige Tageszeitung und nicht so ein elendes Parteiblatt. Also, noch mal zum Mitschreiben: Samstag ist Aktion des Theaters gegen Rechts. Wir entrollen ein riesiges Banner von der Frontwand. ›Anstatt dass sie zuhause bleiben … Augsburg steht auf gegen Rechts‹. Die wollen hier auf dem Platz vor dem Haus ihre Kundgebung machen, da haben sie dann die passende Kulisse. Gegendemo gibt es auch, die machen dann Lärm, und wir sind wieder sauber. – Ah, darf ich Ihnen meine reizende Kollegin Moni vorstellen? Moni, der Mann ist von der Zeitung. Erzähl ihm vom Samstag. Ich geh in die Masse. Wir sehen uns später.«
»Wie fandest du’s?«, wollte Moni wissen.
»Nicht schlecht. Habt ihr eine Menge Arbeit gehabt.«
»Ich bin total fertig. Albert sagt, dass ich eventuell in der nächsten Saison eine eigene Inszenierung mit dem Jugendclub machen darf. Prima, oder?«
»Klingt spannend.«
Moni lächelte ihn breit an, im Vorbeigehen grüßte sie jemand und sie winkte ihm nach. Sie hatte sich für den Abend herausgeputzt. Sie wollte triumphieren. Die anstrengende Arbeit der vergangenen Zeit hing noch in ihren Augen, die Jakob sanft musterten. Er klopfte ihr unsicher auf die Schulter und gratulierte ihr, dann sagte er »Ja«, steckte die Hände in seine hinteren Hosentaschen und schwieg.
»Ich hol Bier, okay?«
»Mir keines mehr«, rief er ihr nach. Sie war weg. Sie kam auch so schnell nicht wieder. Jakob beobachtete die Leute. An einem Stehtisch stand Schultzberg mit seinem fetten Bauch und stopfte Häppchen in sich. Ab und zu musste er Vorbeigehende grüßen. Es standen schon vier leere Bierflaschen vor ihm, die fünfte nahm er einer Bedienung ab. Die Jugendlichen, die, die mitgewirkt hatten, und ihre Freunde, hingen in einem eigenen Eck ab. Sie redeten wenig und schauten ernst zu. Für sie war das jetzt erst das Schauspiel, und es amüsierte sie wenig. Jakob suchte das Klo auf. Würde er bei der Rückkehr in den Partyraum nicht sofort Moni in die Arme laufen, wäre es das für ihn gewesen und sein Bett die nächste Station des Abends.
Er war allein auf der Toilette. Als er sich den Reißverschluss hochzog, hörte er hinter sich ein Stöhnen. Diskret wusch er sich die Hände und wurde sich beim Abtrocknen bewusst, dass es sich nicht um ein Kopulationsgeräusch handeln konnte, zu monoton und angestrengt klang es. Die Tür der ersten Kabine war angelehnt, Jakob stieß sie auf. Ein Mann kniete neben der Schüssel, seine Hand war darin, steckte in Erbrochenem. Er kam nicht mehr hoch.
»Geht’s Ihnen nicht gut?«
Der andere antwortete nicht, stierte nur grob in Jakobs Richtung. Jakob zog ihn hoch und ans Waschbecken. Sobald Wasser über seine Hand lief, begann der Betrunkene, ein gesetzter Herr, zu kooperieren. »Meine Frau.«
»Was ist mit ihr?«
»Können Sie mich zu ihr bringen? Bitte.«
»Ist sie oben?«
»Auf der Feier, ja.«
Jakob führte ihn den Gang entlang, da stockte er wieder.
»Entschuldigung. Das geht noch nicht. Ich blamiere mich dort oben. Ich muss noch ein wenig ausruhen. Können Sie mir helfen?«
Jakob musste ihn stützen. Den Weg wusste der Betrunkene noch, obwohl er kompliziert war. Diverse Gänge im Keller an Werkstätten vorbei, dann ein Treppenhaus in den zweiten Stock, Büroräume. In ein Zimmer ließ er sich führen, in dem in der Ecke ein Sofa stand. Jakob durfte ihn dort ablegen.
»Vielen Dank. Das war gut. Ich hätte so nicht mehr da reinkönnen, das verstehen Sie.« Er holte sein Handy raus und begann etwas einzutippen. »Ich ruhe mich hier eine Weile aus. Gehen Sie ruhig zurück zum Feiern. Halt. Eins noch.«
Er reichte Jakob eine Visitenkarte. Jakob hatte einem »Dr. Max Lugner, Arzt für Schmerztherapie und Onkolyse« geholfen. »Ich will mich noch bei Ihnen
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