Alpenlust
ein schwarzes Auto in Zeitlupengeschwindigkeit über die Autobahn. Man konnte bei der Schärfe dieser Bilder nicht leugnen, dass auf dem Beifahrersitz Birne saß und neben ihm Bernhard Bayer, den er von den Fahndungsfotos kannte. Hinten war das Mädchen, das er bei seinem Ermittlungsausflug ins Milieu gesehen hatte. Sie schaute den Umständen entsprechend fröhlich auf die Straße und den Verkehr. Man konnte meinen, wenn man die Umstände nicht kannte, dass die drei mittlerweile eine Bande waren. Das gab es, dass sich die Entführten mit ihrem Kidnapper solidarisierten, sich im Ausnahmefall sogar in ihn verliebten und so die Geschichte umdrehten, gemeinsam etwas Kriminelles anstellten, und sich in die Schusslinie der ermittelnden Beamten brachten.
»Das ist die neue Terrorfahndung«, erklärte der Kollege. »Kameras auf Autobahnen aufstellen und alles filmen, was vorbeikommt. Hysterisch. Aber jetzt ist es mal zu etwas gut.«
Trimalchio setzte sich wieder hin und blickte dem Herrn Kleinmüller auf den Eierkopf, den nach hinten gezähmte graue Haarstoppel zierten. Der Kollege drehte sich um, rückte seine Brille zurecht. Für ihn war der Rest einfach, Routinesache, eine der wenigen Gelegenheiten, wo der Wilde Westen wirklich gleich hinter Augsburg anfing.
»Das hat nichts mit Geiselnahme zu tun. Wenn ich ein bisschen Erfahrung mit solchen Angelegenheiten habe – und ich habe eine Menge –, das hat nichts mit einer Geiselnahme zu tun. Die drehen zusammen was Größeres, die tricksen uns aus, da stecken womöglich mehr dahinter. Keine Frage, das hat nichts mit einer Geiselnahme zu tun«, wiederholte sich Kleinmüller.
»Wie soll ich das hier am Schreibtisch mit ein paar verwackelten Computerbildern entscheiden? Hä?« Trimalchio wurde richtig grantig.
»Das sind nicht nur ein paar verwackelte Computerbilder. Das sind beweiskräftige Aufnahmen einer Präzisionskamera, mit denen spaziere ich, so wie sie sind, zum Staatsanwalt. Das ist doch Ihr Birne, da auf dem Beifahrersitz.«
»Ist er, gebe ich zu.«
»Geben Sie auch zu, dass Sie vernarrt sind in Ihren Birne? Aber: Was wissen Sie wirklich von diesem Mann?« Kleinmüller hob theatralisch den Zeigefinger seiner rechten Hand. »Sie kennen ihn erst ein halbes Jahr und da schien er Ihnen der geeignete Mann für den Polizeidienst zu sein, Sie dachten, er sei übermäßig begabt. Was ist, wenn er diese Begabung nun anderweitig nutzt? Es könnte ihn ja eine Gelegenheit verführt haben. Sehen Sie das Mädchen auf der Rückbank. Wenn ich mir die so anschaue, die könnte mich auch dazu bringen, was Unüberlegtes zu tun.«
»Birne ist nicht so. Birne nimmt den Job ernst.«
»Das eine schließt das andere nicht aus.«
Trimalchio hatte es satt, dieses Kratzen an einer Betonwand mit einem Teelöffel. Bis sich hier ein Loch auftat, durch das er wenigstens seinen erhobenen Mittelfinger stecken konnte, würden Jahre vergehen.
Kleinmüller fuhr fort: »Die reden im Radio von nichts anderem mehr. Morgen haben es die Scheiß-Zeitungen. Da lesen wir unsere Namen und darunter, dass die bayerische Polizei nicht mal einen durchschnittlich intelligenten Verbrecher einfangen kann. Ich habe keine Lust, für den Pöbel den Hanswurst zu machen. Sie vielleicht?«
»Nein, natürlich nicht.«
»Ich würde sagen: kurzer Prozess. Wir gehen da rein, machen kaputt, was sich nicht vermeiden lässt und erzählen danach unsere Version, die sich mit der Wahrheit genau so weit deckt, dass sie uns als Helden dastehen lässt. Und wer weiß, eventuell ist damit ja ein Schritt auf der Leiter nach oben verbunden. Dagegen haben Sie wohl nichts einzuwenden.«
Trimalchio wollte das nicht wahrhaben. In einer deutschen Polizeistube. Er merkte, dass er einen Funken Berufsethos besaß; daraufhin wurde er fast ein bisschen stolz. »Wissen Sie, was dabei auf dem Spiel steht? Unser Gesicht vor den Deppen da draußen zu bewahren, ist dabei noch das Geringste. Ja.«
Trimalchios freundliches Gesicht mit den Lächelgrübchen im Dreitagebart verschwand, er blickte sein Gegenüber steif an: Mit ihm war nicht zu spaßen.
Kleinmüller änderte ebenfalls den Ton, ihm war nun bewusst, dass er hier jemanden zu überzeugen hatte: »Ganz im Ernst: Warum hängen Sie an diesem Fall? Gut, ich gebe zu, die Medien sind Geier, aber das sind sie immer, das wird schon wieder weniger.«
»Aber wenn das jetzt platzt, dann knallt es mehr als alles andere vorher.«
»Es bringt nichts, wir sind am Ende. Wenn Sie mir in diesem
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