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Alpenlust

Alpenlust

Titel: Alpenlust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willibald Spatz
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Chef.«
    »Glückwunsch. Ich kenne ihn, sogar richtig gut. Ich hatte mal eine Vergangenheit, da waren wir Freunde, aber das ist lange her. Ich bin ein anderer mittlerweile.«
    »Interessant.«
    »Ja, interessant. Aber ich bin jetzt müde. Ich verstecke mich seit Jahren irgendwo in Ecken, in die kein Licht kommt in diesem sauberen, aufgeräumten Land. Würde man gar nicht meinen, wenn man an der Oberfläche lebt, dass es so viele Winkel gibt, in denen man sich verkriechen kann, hätte ich früher genauso wenig gedacht. Die, die sie schnappen, die ihr erwischt, die bekommt ihr nur, weil sie das Gewissen verrät, dann macht man Fehler, weil man selbst glaubt, man habe eine Strafe verdient. Kennst du Dostojewski? Hab ich oft gelesen, hab mir das erste Mal gedacht: So ein Idiot, was stellt der sich an, und dann erst nach und nach hab ich gemerkt, dass mit mir was nicht stimmt. Ich bin manisch, geisteskrank ist so ein großes Wort. Ihr würdet mich doch behandeln, wenn ihr mich bekämt . Oder?«
    »Ich habe dich doch schon.«
    »Ich nenne es nicht Gewissen, irgendetwas treibt mich zum Aufhören. Komisch. Oder nichts treibt mich zum Weitermachen. Du hast recht, du hast mich. Oder auch nicht. Ich weiß es selbst nicht. Vielleicht bereue ich bereits morgen, was ich dir heute sage. Eine Sache lässt mir keine Ruhe, sie lässt mir einfach keine Ruhe. Trimalchio , wir waren so gute Freunde, wir hingen aneinander, und jetzt sind wir Feinde, er jagt mich, er will mich hinter Schloss und Riegel bringen. Ich gebe ihm ein bisschen Schuld daran, dass ich so geworden bin. Wenn es um Gerechtigkeit und nicht nur um Recht ginge, dann müsste er einen Teil meiner Schuld mitabsitzen . Ich verrate dir was über mich, was du dir nicht denken kannst: Als wir jung waren, Trimalchio ist es vielleicht noch, ich schon lang nicht mehr, waren wir Kollegen. Das kannst du dir nicht vorstellen, dass ich mal bei der Polizei war. Ich bin ein gefallener Polizist, ein grüner Luzifer. Kann gut sein, dass du heute auch gefallen bist, und in ein paar Jahren deine gleiche Geschichte einem anderen, jüngeren Mann erzählst. Aber dazu müssen noch zwei oder drei Dinge klappen, da kannst du mitmachen. Jetzt müsste es dir eh schon wurscht sein. In einem Punkt sind der Trimalchio und ich uns gleich, und das sind die Weiber. Alles, was wir getan haben, hatte nur ein Ziel, und zwar eine flachzulegen. Das war schon manisch, das geb ich zu. Das ist aber in uns, da können wir uns nicht einmal behandeln lassen, will ich auch gar nicht. Dann der neue Einsatzort, der neue Kollege, der in gewisser Weise genauso tickt wie ich. Das traf sich. Wir waren viel zusammen unterwegs. Tickst du auch so? Hat er versucht, dich auf seine Schlachtzüge mitzunehmen?«
    Birne ahnte den zweiten Teil der Geschichte, er musste tief einatmen, bevor er sagte: »Gelegentlich.«
    »Na, dann weißt du, was ich meine. Ich werde gesucht, weil ich mir Mädchen von der Straße schnappe und einsperre. Das ist illegal. Aber ich sage dir, das, was der Trimalchio treibt, ist mindestens so brutal, er hat es nur geschafft, nicht aus der Bürgerlichkeit zu rutschen, der Glückspilz. Tief in meinem Inneren verdächtige ich ihn, dass er die Ermittlungen in meiner Sache in entscheidenden Momenten ausbremst, weil uns heimlich immer noch ein brüderliches Band verbindet über all die Jahre hinweg. Wir hatten einmal einen Einsatz zusammen, eine heikle Geschichte, Mafia, war das. Da ist mir was ganz ähnliches passiert wie dir heute. Meine Waffe drehte durch und ich war nicht mehr ich selbst und traf einwandfrei. Vier Kugeln, vier Tote. Und den fünften hat Trimalchio erwischt und uns sozusagen das Leben gerettet. Da bist du jung, frisch in diesem Job, moralisch irgendwie extrem ungefestigt, was dir jemand einmal während deiner sogenannten Erziehung beibringen wollte, ist weg, mit Füßen getreten. Und dann so etwas. Da kommt es wieder. Ich war fertig. Die betreuen einen psychologisch, aber davon habe ich nichts mitbekommen, das rutschte an mir vorbei. Bis ich eines Tages sagte, ich muss da raus aus diesem Laden, hier erinnert mich alles an das Blut. Ich will weg. Dann war ich draußen und mir selbst überlassen in einem grauen Raum. Ich kämpfte gegen mein Gewissen, hatte schon ein paar mal Hand an mich gelegt, aber im entscheidenden Moment die Bremse gezogen. Dann kam der Alkohol, der Exzess. Ich bin einer der wenigen, die sagen können, dass er mich gerettet hat. Ich dachte nicht mehr daran, ich wurde

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