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Alpenlust

Alpenlust

Titel: Alpenlust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willibald Spatz
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laut geschrien hatte. Der ließ sich aber zumindest nichts anmerken. Er sagte Birne, er solle die Schlüssel anschließend bei seiner Frau vorbeibringen, eventuell sei er dann auch daheim und sie könnten zusammen die Biere aufmachen.

     
    Birne machte sich augenblicklich auf den Weg und wurde kurz vor seiner Tür wieder vom Telefon gestoppt. Ein Fremder am Apparat.
    »Sind Sie Inspektor Birne?«
    »Bin ich. Was gibt’s? Ich bin in Eile.«
    Der Mann stellte sich als Reporter des lokalen Blattes vor und hatte einige Fragen in Bezug auf die Entführung.
    »Wie kommen Sie da auf mich?«, fragte Birne.
    »Sie waren doch dabei.«
    »Ich bin verletzt.«
    »Verletzt? Wie verletzt?«
    »Ich liege, ich bin verwundet, ich kann niemandem antworten.«
    »Herr Birne, es gibt Zeugen, die behaupten, dass Sie den Rentner Hubert K. erschossen haben.«
    »Und diese Zeugen haben Sie interviewt? Sagen die das auch, wenn ich ihnen gegenüber sitze?«
    »Herr Birne, wir sind uns alle nicht im Klaren, ob Sie Opfer oder Täter sind. Können Sie uns beruhigen?«
    Sollte das investigativ sein? »Hören Sie, ich habe praktisch keine Zeit. Ich kann eigentlich nicht mit Ihnen reden.«
    »Was heißt eigentlich?«
    »Ich kann nicht.«
    »Herr Birne, ich überquere nun die Straße und stehe vor Ihrem Haus. Wollen Sie mir bitte die Türe aufmachen?«
    Birne blickte aus dem Fenster. Ein etwas ungepflegter älterer Herr winkte ihm entgegen. Er hatte einen kleinen Bauchansatz, der ihn äußerst unförmig machte, froschartig nach außen tretende Augen und einen grauen Pferdeschwanz, der, offensichtlich frisch gewaschen, schon wieder verfettete. Wahrscheinlich stank der Mann fürchterlich nach Schweiß und Kaffee. Am Telefon drohte er: »Ich werde heute über Sie schreiben, morgen steht was in der Zeitung, wenn Sie jetzt öffnen, haben Sie mehr Einfluss auf den Bericht.«
    Birne hatte lediglich gesagt, dass er keine Zeit habe und schon wurde er bedroht. Beinahe hätte er dicht gemacht, aber dann sah er ein, dass es schlauer war zu kooperieren.

     
    Der Mann stank tatsächlich. Birne bot ihm einen Kaffee an; er nahm ihn dankend an. Während Birne in der Küche Wasser aufsetzte, schaute sich der Reporter in der Wohnung um, unappetitlich neugierig. Birne spürte, wie er seinen Geruch verbreitete. Er lugte durch den Schlitz, den die angelehnte Schlafzimmertür offen ließ.
    »Brauchen Sie Milch?«, brachte er den Mann zurück an den Tisch.
    »Nein danke«, sagte der stolz, so weit gekommen zu sein. »Wie war das, in der Hand eines berüchtigten Verbrechers zu sein?«
    »Unangenehm.«
    »Weiter. Erzählen Sie: Haben sich Ihre Gefühle verändert? Sie waren nicht allein gefangen. Wie haben Sie Ihre Mitgefangene erlebt?«
    Birne atmete durch, er gab sich geschlagen: »Wissen Sie, ich beschäftige mich schon eine Weile mit dem Fall, als Polizist. Ich habe aufmerksam alles gelesen, was bisher dazu geschrieben wurde, bin jeder Spur in Gedanken gefolgt, habe mir ein Bild des Täters gemacht, habe mir Situationen ausgemalt: Wie reagiere ich, wenn das und das passiert? Wie gehe ich mit so jemandem um und so weiter? Das war die Vorarbeit am Schreibtisch und auch unter der Dusche, im Bett, im Schlafzimmer. Ich war schwer beschäftigt, das lässt einen nicht einfach los wie einem anderen Menschen zum Feierabend der Bleistift aus der Hand fällt.
    Praktisch haben wir versucht, dem Täter eine Falle zu stellen. Wir haben einen Lockvogel eingesetzt, das hat leider zuerst nicht so funktioniert, wie wir uns das vorgestellt haben, aber schließlich hat es geklappt, mehr oder weniger: Ich war in seiner Gewalt. Doch ich war plötzlich allein, auf mich gestellt, die Netze und die doppelten Böden, die die Kollegen ausgelegt hatten, außer Reichweite. Es war anders als in der Vorstellung, nicht völlig, aber ich denke, mental kann man sich auf so etwas nicht zu100 Prozent vorbereiten. Jetzt wäre es was anderes, aber im ersten Moment hatte ich Angst, ja echte Angst.
    Sie fragen nach Nina, meiner Mitentführten – ich bewunderte ihre Gelassenheit, sie fügte sich. Darin täuschte ich mich wohl, aber sie schien ruhig. Sie wissen vielleicht, dass wir zunächst in einem Wochenendhaus untergebracht waren, mitten im Wald, dort, wo sich der Vorfall mit dem Rentner ereignen sollte. Ich musste dorthin fahren mit einer Pistole, die mir an die Schläfe gedrückt wurde. Ihnen gegenüber kann ich es zugeben: Ich bin von Haus aus ein schlechter Autofahrer und ich war heilfroh, in jener

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