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Alptraumland

Alptraumland

Titel: Alptraumland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Ronald M. und Pukallus Hahn
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Tasse Tee vor dem Haus im Grünen – Perkins wusch vor der nahen Garage den Wagen, und Keith mähte den Rasen, so daß ich mich sicher fühlte – und war infolge meiner zur Dauererscheinung gewordenen Übermüdung im Sonnenschein eingenickt, da weckte mich plötzlich ein Brummen.
    In der ersten Benommenheit dachte ich, es sei irgendein Tier, womöglich ein Bär. Ich sprang vom Gartenstuhl hoch, kippte dabei die Tasse um. Dann merkte ich trotz meiner Beduseltheit, daß das Geräusch von einem Kraftfahrzeugmotor stammte, allerdings nicht meinem Automobil. Ich blinzelte ins rötliche Sonnenlicht. Ein schon recht betagtes, offenes Fahrzeug ratterte die Zufahrt entlang. Es mußte aus dem vorigen Jahrhundert stammen. Gesteuert wurde die verrostete Karre von einem vierschrötigen Individuum, einem alten Schottentrottel im Schottenrock. Auf der Rückbank kauerte mit stoischer Leidensmiene Howard Phillips Lovecraft.
    Aufgeregt stapfte ich ihm entgegen, während er den Tattergreis entlohnte, der in seinem Kilt hinterm Lenkrad hocken blieb. Keith bewies jedoch Geistesgegenwart und schwang Howards einzigen Koffer vom Gepäckträger des Wagens. In meiner Aufregung vergaß ich, welchen Wert Howard wegen seiner Herkunft darauf legte, wie ein Gentleman behandelt zu werden. Ich schloß ihn in die Arme, klopfte ihm sogar auf die Schultern. Starr wie ein Standbild ließ er auch das über sich ergehen, verzog den Mund zu einem verkniffenen Lächeln, das eine Anzahl Pferdezähne entblößte.
    »Howard«, rief ich. »Das bist du ja, alter Freund! Wie geht’s dir? Wie war die Reise?«
    »Ich lebe noch«, antwortete er voller ehrlich empfundenem Pathos. »Mit wenigen Worten zu schildern, was ich durchgemacht habe, wäre schwierig, und außerdem ist deine Notlage allem Anschein nach erheblich übler, als es die Strapazen meiner Reise gewesen sind.« Ich hatte keine Neigung, diese Einschätzung abzuleugnen, und bei soviel Verständnis, das Howard mir entgegenbrachte, überwältigte mich nahezu die Rührung. Ich faßte ihn am Arm und führte ihn zum Haus. »Komm«, sagte ich. »Komm rein.« Mir war, als könnte ich wieder leichter atmen. »Ich bestehe darauf, daß du dich auf Ashton Manor ganz wie daheim fühlst.« Keith folgte uns mit dem Koffer ins Gebäude. »Ich kann dir gar nicht verdeutlichen, wie froh ich bin, daß du da bist. Du wirst nicht glauben, in was für einen Pfuhl ich hier geraten bin. Mir steht das Wasser bis zum Hals, Howard. Ich …«
    Meine Stimme stockte; unwillkürlich verstummte ich. Was sollte ich ihm antworten, wenn er mich nach den Einzelheiten befragte? Ich redete mir ein, es sei noch zu früh, es wäre ein unmögliches Benehmen, ihn schon im ersten Augenblick seiner Ankunft – zumal er auf der für ihn ungewohnt weiten Reise sichtlich so einiges an Anstrengungen durchgestanden hatte – mit der ganzen verzwickten Greulichkeit meiner Sorgen zu konfrontieren. Später, sagte ich mir. Später. Aufmerksam musterte Howard mich, während wir in der Eingangshalle verharrten, aus seiner wie üblichen etwas blasierten Miene. Sein langes, bleiches Pferdegesicht mit dem ausgeprägten, kantigen Kinn hatte sich nicht verändert.
    »Wie steht’s um deine Tanten?« fragte ich ihn, weil mir nichts besseres einfiel.
    »Meine Tanten sind zwei wirklich zähe englische Zugpferde«, gab er mit seiner hohen Stimme zur Antwort. Aus seinem Mund mußte man das wohl als Kompliment betrachten. »Aber sie würden mich am liebsten noch immer verzärteln, so wie’s früher meine Mutter getan hat.« Und es ihr auch vollkommen gelungen ist, ergänzte ich in Gedanken. Darauf jedoch kam es nun nicht an. Ich beauftragte Dorothy, neuen Tee für mich und starken Kaffee für Howard aufzugießen und uns die Getränke mit englischem Teekuchen, französischen Butterhörnchen und deutschen Schokoladenplätzchen auf der Veranda des Ostflügels, wohin um diese Tageszeit keine Sonne mehr reichte, zu servieren. Ich hatte Howards Scheu vor Sonnenstrahlung noch in Erinnerung. Er hielt Blässe für vornehm, als ob wir im 17. Jahrhundert lebten. Während wir Platz nahmen, schleppte Keith auf mein Geheiß Howards Koffer in eine der renovierten Zimmerfluchten hinauf, in die ich ihn einzuquartieren beabsichtigte. Mir fiel Howards außergewöhnlich starke Kälteempfindlichkeit ein – schon bei 21 Grad erstarrten ihm die Gliedmaßen, so daß er kaum noch schreiben konnte –, darum erteilte ich den Storm-Schwestern Weisung, umgehend in den Kachelöfen Feuer zu

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