Alraunes Todeskuß
Engel erschienen war.
Er hatte gestoppt.
Er ließ sich Zeit.
Die Puppe war groß genug, um sie zu treffen. Zudem beherrschte Suko seine Waffe. Er konnte dafür sorgen, daß die drei Riemen während des Schlags zusammenblieben oder auch auseinanderfächerten.
Hierbei mußte er sie zusammenhalten. Ich schaute zu, wie er ausholte, und es kam mir vor, als würde ich dies alles in einem zeitlupenhaften Tempo erleben.
Suko hatte den Arm nicht nur zurückgedrückt, er hielt ihn auch leicht gedreht, und er hatte zuvor einen nach unten hin zeigenden Halbkreis geschlagen.
Die Riemen lagen zusammen – und blieben auch zusammen, als er sie auf die Reise schickte.
Volltreffer!
Die Alraune bekam sie alle drei zu spüren. Sie hieben gegen die lange, gummiartige Zunge, sie hämmerten gegen ihren Körper, und hinter ihnen steckte eine derartige Wucht, daß auch die Tänzerin die Puppe nicht mehr festhalten konnte.
Der Aufprall wirbelte sie aus ihren Händen. Sie blieb im Kegel des Scheinwerfers, der jede unserer Bewegungen für die zahlreichen Zeugen genau nachgezeichnet hatte.
Viele Augenpaare schauten zu, wie die Alraune auf die glatte Fläche prallte und darüber hinwegrutschte. Sie drehte sich sogar noch und geriet an den Rand, wo sie, wieder für alle Augen sichtbar, nicht nur liegenblieb, sondern auch verging.
Sie bäumte sich noch einmal auf. Auch die Zunge zuckte. Aber sie glitt nicht mehr zurück in das Maul, denn dazu fehlte ihr einfach die Kraft. Sie hatte sich verändert und sah aus wie ein grauer, dicker Strumpf, der leer auf dem Boden lag.
Holzsplitter wirbelten durch die Luft. Die Haare waren längst abgefallen.
Die Alraune verlor ihren Körper, zurück blieb der Kopf, aber auch der zerplatzte unter einem ungeheuren Druck, und eine staubige Masse verteilte sich auf der Tanzfläche.
Es gab sie nicht mehr.
Wir konnten aufatmen.
Suko zwinkerte mir zu. Ich war dabei, Maria auf die Beine zu helfen.
Kaum stand sie auf den Füßen, als sie mich umarmte und ihren Kopf an meiner Schulter barg. »Pietro ist nun gerächt, nicht wahr?« flüsterte sie unter Tränen.
»Ja, das ist er.«
Das wahre Geheimnis des Pietro Anzaro und das der Alraune würden wir wohl nie herausfinden.
Von außen hörte ich die Sirenen der Ambulanz. Das wiederum erinnerte mich an Tommy, den Amokläufer, und ich wollte sehen, welchen Schaden er hinterlassen hatte.
Pepe war tot. Der Mann mit der Glatze und die verletzte Frau würden in ein Krankenhaus gebracht werden. Alle anderen waren mit dem Schrecken davongekommen, bis auf einen.
Tommy Brown hockte gefesselt an der Bar und weinte…
***
Eine Woche später saßen Maria, Suko und ich in einem spanischen Lokal zusammen. Die Tänzerin hatte ihren Bruder unter die Erde gebracht, sie erschien uns erleichtert, und sie hatte uns zu einem herrlichen Essen aus ihrer Heimat eingeladen.
Es wurde ein toller Abend und eine tolle Nacht, denn Maria Anzaro bewies mir, daß sie so prüde nicht war, wie es für manche den Anschein gehabt hatte.
ENDE
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