Als das Glück zu Frieda kam - ROTE LATERNE Band 1 (German Edition)
Verlegen fuhr Frieda übers Haar. Dabei fiel ihr ein, dass die Dauerwelle schon ein halbes Jahr alt war. Wenigstens.
»Ja, ich«, sagte Frieda nach beendeter Musterung. »Ich krieg 'ne Menge Geld auf dat Konto gezahlt.«
»So, eine Menge Geld bekommen Sie?«
»Ja«, sagte Frieda leise, »ich muss bloß 'ne Kontonummer angeben.« Wie fröstelnd zog sie den Schal zusammen.
»Meeenschenskind, Friedaaa!«, gellte ein Schrei von der Tür her. »Wat machst denn du auffe Bank?«
Frieda Paluschke sah sich um. An der offenen Schwingtür stand eine abenteuerlich gekleidete Frau. Sie trug Wollstrümpfe. Verschiedene, in Farbe und Muster. Der Mantel wirkte vorkriegsmäßig und schilderte bildhaft die Speisekarte der Wärmestube am Hauptbahnhof. Vor sich her schob die Gestalt einen Gepäckwagen, in dem sich der gesamte Hausrat befand.
»Bahnhofs-Elli«, flüsterte Frieda und sah aus den Augenwinkeln die hochgezogenen Brauen des Bankmannes.
»Haste Geld?«, schrie die mit einem kleckerbunten Kopftuch geschmückte Bahnhofs-Elli lautstark herein. »Kannste mich mal wat pumpen? Für ein Fläschken nur, weißte?«
»Geh doch wieder raus!«, flehte Frieda.
»Raus hier!«, bellte der Mann hinter der Scheibe und guckte die arme Frieda ganz wütend an.
»Iiiich?«, fragte Frieda.
»Am besten Sie auch«, keuchte er, und die unteren Ränder seiner Brille liefen an. Hilfesuchend warf er einen Blick zu seinem Kollegen, der ihm nun etwas zuflüsterte. Es musste etwas Schadenfrohes gewesen sein, denn der Bebrillte holte symbolisch aus.
»Also, wat ist denn nu mit einem Konto? Ich brauch die Nummer. Sonst geh ich zu 'ne andre Bank, verstehense?« Dabei hielt sie die Mitteilung in der Hand, worauf Frieda die Kontonummer schreiben wollte, damit sie sie nicht vergaß.
»Friedaaa, kannste mich mal ...«, kam es klagend von der Tür.
»Halt die Klappe. Warte draußen«, sagte Frieda. »Nein, so wat auch!« Und als Frieda wieder hochblickte, sah sie ein anderes Gesicht. Eigentlich war es noch dasselbe, aber es war so grünlich. Und zwischen Daumen und Zeigefinger wischte der Bankangestellte die feuchte Brille, setzte sie ab und wieder auf und begann dann zu schnaufen wie ein Hürdenläufer.
»Ist das eine Mitteilung von der Lottozentrale?«, fragte er und deutete auf das Schreiben in Friedas Hand. Er wusste, was ein solcher Schrieb bedeutete.
»Na, deswegen komme ich doch. Wollense meinen Ausweis? Hab ich alles mit. Hier, bitte schön!«
Sie schob ihren Ausweis zusammen mit dem Brief in die Schale, die ruckartig umgeschwenkt wurde. Dann beguckte er Frieda. Sie wurde rot.
»Auf den Foto«, sagte sie verlegen. »Also, auf den Foto war ich etwas jünger, wissense. Und zum Friseur muss ich auch wieder mal. Ich geh jetzt bei den, wo Olga immer geht. Der macht dat einem richtig schön, so, dat man sich sehen lassen kann.«
Er sah sie an wie ein Gespenst. Wie eingefroren stand der Mann hinter dem Schalter.
»Kurt«, röchelte er schließlich. »Kurt, guck mal da!«
»Is wat?«, wollte Frieda wissen und legte den Kopf schräg. »Ist ein bissken knitterig vonne Schürzentasche drinne haben«, sagte sie. »Aber dat stimmt schon. Hat mir der Postbote persönlich heute Morgen in den Guten Tropfen gebracht. Da arbeite ich. Aber nu nicht mehr. Ich will nicht mehr Klos putzen, jawoll!«
Sie war eine reiche Frau. Reiche dürfen reden. Arme haben nichts zu sagen. Haste wat, biste wat, dachte Frieda und kreuzte die Arme über der Brust. Nein, was sie mit dem vielen Geld anfangen würde, oder was man sich dafür kaufen konnte, darüber machte sie sich keine Gedanken. Hauptsache sie hatte es.
»Nein, nein!«, stotterte der Mann hinterm Schalter. Er wurde nun rosig und leckte sich über die Lippen. Dann grinste er.
Döskopp, dachte Frieda.
»Wat ist?«, fragte sie wieder.
»Friedaaa, kannste mich mal ...?«
»Ist die Dame Ihre Freundin?«
»Naja, ich kenn sie halt!«
»Ach, sagen Sie ihr doch, sie möchte dort auf der Bank bei den schönen Blumen Platz nehmen, bis Sie hier fertig sind, gnädige Frau!« Salbungsvolle Höflichkeit umwehte Frieda, die ihr sehr guttat.
»Setz dich dort bei die Blümkes, Elli!«, rief Frieda zur Tür.
Auf den Wagen gestützt, schob Bahnhofs-Elli herein. Die Schuhe – vermutlich aus Beständen der Heilsarmee oder einer anderen Organisation - glichen wahren Rheinkähnen und schlappten, wobei an den Fersen stattliche Löcher sichtbar waren. Elli fuhr sich mit den fettigen Fingern durch das strähnige Haar und warf
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