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Als der Meister starb

Als der Meister starb

Titel: Als der Meister starb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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vor Schmerz verzerrte, als sein ganzes Körpergewicht nurmehr auf seinem rechten Arm lastete. Barton stieß einen triumphierenden Schrei aus, suchte mit der Linken Halt am Mast und beugte sich vor. Die Axt in seiner Hand blitzte auf.
    »Barton!«, schrie Bannermann verzweifelt. »Hör auf, oder ich muss auf dich schießen!«
    Barton erstarrte. Sein Blick suchte den des Kapitäns, und trotz der großen Entfernung konnte ich das wahnsinnige Funkeln in seinen Augen sehen. Bannermann hob das Gewehr.
    »Tun Sie es nicht, Captain!«, schrie Andara. »Er weiß nicht, was er tut!«
    Bannermann reagierte nicht. Sein Gesicht war leichenblass, als er die Waffe entsicherte und Barton anvisierte. »Ich meine es ernst, Barton!«, rief er. »Lass die Axt fallen, oder ich drücke ab!«
    Bartons Antwort bestand in einem neuerlichen, unartikulierten Schrei. Blitzschnell riss er die Axt hoch, beugte sich noch weiter vor – und schlug zu.
    Mannings Schrei wurde vom peitschenden Knall des Schusses verschluckt. Der Matrose fiel, aber auch Barton stürzte, von der Wucht des Schusses herumgerissen wie von einem Faustschlag.
    Ich wandte hastig den Blick, als Mannings und sein Mörder auf dem Deck aufschlugen. Für einen Moment wurde mir übel.
    Andara ließ meine Hand los, machte einen Schritt und blieb wieder stehen. Sein Gesicht zuckte. Aber es war nicht das Entsetzen über das, was geschehen war, sondern etwas Anderes, Schlimmeres. Bannermann rannte neben ihm die Treppe herab, schleuderte sein Gewehr mit einer zornigen Geste von sich und eilte an uns vorüber. Der Blick, mit dem er Andara bedachte, sprühte vor Hass.
    Von überall her begannen die Matrosen zusammenzulaufen, und am Fuße des Hauptmastes bildete sich rasch eine immer größer werdende Menschenmenge. Auch ich wollte hinter Bannermann hereilen, aber Andara hielt mich mit einer raschen Geste zurück, schüttelte den Kopf und deutete nach Norden, aufs Meer hinaus.
    Im ersten Moment sah ich nichts außer dem endlosen blauen Wogen des Ozeans, aber dann erkannte ich, was der Magier mir zeigen wollte.
    Unter der Wasseroberfläche, vielleicht eine halbe Meile von der LADY OF THE MIST entfernt, schimmerte ein gigantisches, dunkles Etwas. Seine genaue Form war nicht zu erkennen, aber es war lang gestreckt und massig wie ein Wal. Nur größer. Viel, viel größer.
    Ich wollte etwas sagen, aber Andara gebot mir mit einer hastigen Geste zu schweigen. Ich verstand. Die Stimmung an Bord war nach diesem neuerlichen Vorfall ohnehin kurz vor dem Siedepunkt. Wenn die Matrosen den Schatten, der dem Schiff folgte, bemerkten, konnte es zu einer Katastrophe kommen.
    Bannermann kam zurück. Sein Gesicht war bleich vor Schrecken, und um seinen Mund lag ein bitterer Zug, den ich bisher nicht an ihm bemerkt hatte. Seine Hände waren blutig. Aber es war nicht sein Blut.
    »Tot«, sagte er dumpf. »Beide.« Er blieb stehen, fuhr sich mit einer fahrigen Geste durch das Gesicht und beschmierte sich dabei mit Blut, ohne es zu bemerken. »Ich … ich begreife nicht, was in Barton gefahren ist«, murmelte er. »Er … muss verrückt geworden sein.« Er sah Andara an, und wieder glomm in seinen Augen dieses mahnende, flackernde Feuer auf. Der Mann musste kurz davor sein, den Verstand zu verlieren.
    Andara schwieg, aber vermutlich hätte Bannermann seine Worte gar nicht verstanden, wenn er geantwortet hätte. »Das ist Ihr Werk«, murmelte er. »Sie … Sie …« Er schluckte, ballte die Fäuste und hob zitternd die Arme. Ich spannte mich. Aber Bannermann führte die Bewegung nicht zu Ende. »Seit Sie an Bord dieses Schiffes gekommen sind, verfolgt uns das Unglück«, keuchte er. »Sie sind schuld, wenn …«
    »Bannermann!«, sagte ich scharf. »Reißen Sie sich zusammen!«
    Andara warf mir einen raschen, dankbaren Blick zu, schüttelte aber den Kopf. »Lass ihn, Junge«, sagte er sanft. »Er hat recht. Ich wollte, ich könnte es rückgängig machen.«
    »Vielleicht können wir es ja«, sagte eine Stimme. Ich sah auf und bemerkte erst jetzt, dass wir nicht mehr allein waren. Ein Teil der Matrosen war Bannermann gefolgt und hatte uns umringt. Es waren müde, abgekämpfte Gesichter, die uns anstarrten. Aber in einigen von ihnen flackerte der Hass. Ich konnte die Spannung, die plötzlich in der Luft lag, beinahe riechen.
    »Halten Sie den Mund, Lorimar«, sagte Bannermann müde. Plötzlich war der Zorn aus seinem Blick gewichen. Er sah jetzt nur noch erschöpft aus.
    Der Angesprochene erwiderte seinen Blick

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