Als die erste Atombombe fiel
Mannschaft dieser B-29 gehörten unter anderen als Pilot Oberst Paul Tibbets, als Kopilot Captain Robert Lewis, als Bombenschütze Major Thomas Ferebee und als Heckschütze Sergeant Robert Caron. Tibbets hatte das Flugzeug nach seiner Mutter benannt; der Enola Gay folgten noch zwei weitere Maschinen, welche mit ihren Messinstrumenten Daten über die anfallende Radioaktivität und den Explosionsdruck registrieren sollten.
Kurz nach sieben Uhr erreichte eine der Wetterbeobachtungsmaschinen Hiroshima. Der Morgennebel, der noch über der Stadt lag, lichtete sich bald, sodass den drei nachfolgenden Flugzeugen grünes Licht für den Anflug signalisiert wurde. Das Beobachtungsflugzeug drehte noch eine Schleife und bog dann ab; in Hiroshima wurde daraufhin Entwarnung gegeben. Die Bevölkerung, die durch den Fliegeralarm am frühen Morgen in die Häuser und Luftschutzunterstände getrieben worden war, ging wieder ihrer normalen Beschäftigung nach. Warnung und Entwarnung, das gehörte in jenen Kriegsmonaten zum Alltag.
Doch dann näherten sich plötzlich erneut amerikanische Flugzeuge, angeführt von der Enola Gay mit ihrer tödlichen Ladung. Kurz nach acht Uhr hatten sie ihr Zielgebiet erreicht. Was sich in den Sekunden und Minuten nach 8.15 Uhr in der von Tibbets gesteuerten B-29 ereignete, haben die amerikanischen Journalisten Knebel und Bailey rekonstruiert:
»Durch das Zielgerät konnte Kommandant Ferebee, der Bombenschütze, das gewohnte Panorama betrachten. Es hätte genauso gut eine von den Fotografien, die er schon dutzende Male studiert hatte, sein können. Das Ziel, eine große Brücke über dem Fluss Ohta, schob sich langsam in die Mitte des Visiers.
›Ich hab’s‹, sagte Ferebee.
Er betätigte die automatische Synchronisierungsanlage für die letzte Minute vor dem Abwurf. 45 Sekunden später stellte er das Funkgerät ein zum Zeichen, dass in 15 Sekunden die Bombe abgeworfen würde. Um 8 Uhr 15 Minuten 17 Sekunden öffnete sich der Bombenschacht mit einem Schlag; das Flugzeug, plötzlich um 4500 Kilogramm leichter, wurde in die Höhe gerissen. Die Besatzung spürte das Dröhnen in den Schädeln. Tibbets ging, die Maschine um 60 Grad neigend, zum Sturzflug über und beschrieb eine scharfe Wendung um 158 Grad. Das Flugzeug kreischte auf ob der Heftigkeit des Manövers. Tibbets gab Robert Caron, dem Maschinengewehrschützen im Heck, die Anweisung, alles laut zu beschreiben, was er beobachten konnte, und begann gleichzeitig im Stillen die entscheidenden 43 Sekunden abzuzählen.
Als 35 Sekunden verstrichen waren, fragte er Caron voller Ungeduld: ›Immer noch nichts?‹
›Nichts, Herr Oberst.‹
Leutnant Morris Jeppson, der das elektronische Kontrollsystem der Bombe überwachte, zählte ebenfalls: 40 … 41 … 42 … und wartete. Fehlgeschlagen!, fuhr es ihm durch den Kopf.
Doch im gleichen Moment durchzuckte vor Bob Carons Augen ein violetter Blitz den ganzen Raum. Instinktiv schloss er die Augen. Ich muss blind geworden sein, dachte er. Einen Augenblick später, als er direkt in die Sonne schaute, konnte er durch seine Brille nur einen schwachen Schimmer erkennen. Zuerst war er zu erschüttert, um über die Gegensprechanlage über das, was er gesehen hatte, zu berichten. Die Explosion entwickelte im Bruchteil von Sekunden einen Feuerball von mehr als 500 Meter Durchmesser, die Temperatur im Inneren erreichte 55 Millionen Grad Celsius.«
Die Besatzung der Enola Gay konnte sich in Sicherheit bringen und dem Todesgürtel der Atombombe unversehrt entkommen, für die Menschen in Hiroshima gab es jedoch kein Entkommen. Was Kinder und Jugendliche in dieser Stadt, die zu einem einzigen Verbrennungsofen geworden war, erlebten und erlitten, schildern sie auf den folgenden Seiten.
5 Dieses Zitat und einige der vorausgegangenen Angaben wurden dem Buch Der Zweite Weltkrieg , Bd. 3, Das Beste 1979, entnommen.
Mein Vater fühlte sich kalt an
Tomoyuki Satoh Schülerin der 4. Klasse, damals vier Jahre alt
Ich ging noch nicht zur Schule. Am 6. August spielte ich vor einer öffentlichen Badeanstalt in unserer Nachbarschaft. Sei-chan bat mich, ihr auf den Wiesen Blumen zu pflücken, und ich war gerade auf dem Weg dorthin. Da wurde es plötzlich ganz hell. Ich war sehr erschrocken und dachte, ich sollte lieber ins Haus gehen, aber auf einmal war es, als durchbohrten dutzende von Nadeln meine Augen, und ich wusste nicht mehr, wer ich war und wohin ich ging. Ich schaffte es irgendwie, zum Haus zu
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