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Als es Nacht war in Dresden: Roman (Frauenromane) (German Edition)

Als es Nacht war in Dresden: Roman (Frauenromane) (German Edition)

Titel: Als es Nacht war in Dresden: Roman (Frauenromane) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Siemon
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und durfte mich nur sehen, wenn Großvater, der ihm nicht zutraute, eine Familie zu ernähren, es erlaubte. Erst viel später wurde mir klar, dass es bei Großvater fast schon um Antipathie meinem Vater gegenüber ging. Nur so konnte ich mir im Nachhinein sein Verhalten erklären.
    Einige Wochen nach meiner Geburt ging meine Mutter zu Freunden meiner Großeltern nach Wiesbaden. Diese betrieben in einem Kurhotel eine Praxis für unterschiedliche Bäder, Massagen etc. Ich selbst blieb wohlbehütet bei meinen Großeltern und meinen Tanten. Meine Mutter sah ich nicht oft. Die Bahnfahrt war kostspielig und lang bis zu unserem Städtchen direkt an der Schweizer Grenze. In diesen Jahren habe ich meine Mutter nicht vermisst, dies kam erst später und dafür umso schmerzlicher. Ihre Schwestern waren auch meine Schwestern, sie haben sich rührend um mich gekümmert, ich war eben die kleine Schwester für sie.
    Meine Cousine Lotte wurde geboren, ich war gerade drei Jahre alt. Wir waren als Kinder viel zusammen, ihre Mutter, Tante Wilhelmine, sorgte dafür, dass ich in ihrer Familie wie zu Hause war. Nur Onkel Arthur war nicht sehr begeistert von mir, er tadelte mich immer beim Essen, und wenn ich den Schokoladenpudding stehen ließ, warnte er mich, dass ich noch lernen würde, alles aufzuessen.

2

    Durch die Geburt von Lottis Bruder Theo und meine Einschulung lockerte sich die Beziehung etwas und wir waren nicht mehr so oft zusammen. Mit fünf Jahren konnte ich schon ein bisschen lesen, als ich etwas fortgeschritten war, lehrte mich Tante Ines, das Gelesene zu verstehen. Solange sie bei den Großeltern lebte, kümmerte sie sich um mich und beschäftigte sich viel mit mir. Morgens, wenn Großvater seine Zeitung gelesen hatte, versuchte ich in einer Ecke – meist saß ich auf der Küchenbank am großen Tisch -, die Zeitung zu studieren. Immer wenn ich Buchstaben fand, die ich lesen konnte, versuchte ich, die Sätze zusammenzustellen, damit konnte ich mich stundenlang beschäftigen.

    Großvater war streng. Er stammte aus einer Handwerkerfamilie mit mehreren Beschäftigten. Ich weiß wenig von meinen Vorfahren. Hörte von Großmutter, dass Großvater Kaufmann gelernt hatte, sein älterer Bruder sollte die Produktion, Großvater den kaufmännischen Teil des Betriebes übernehmen. Urgroßvater war begehrt als Stuckateur, er restaurierte auch in Schlössern die Stuckdecken und war viel unterwegs. Doch starb er schon mit 56 Jahren an Kehlkopfkrebs. Der Betrieb wurde verkauft, die beiden Brüder wurden ausbezahlt. Großvater eröffnete danach ein Feinkostgeschäft und handelte mit edlen Weinen, was damals sehr gefragt war. Seine Mutter lebte nach dem Tod von Urgroßvater zwar im Haushalt meiner Großeltern, unterstützte jedoch Großvaters Bruder finanziell beim Bau eines großen Kaffeehauses und Restaurants. Deshalb zog sie das Geld aus dem Geschäft meiner Großeltern. Es kam, wie es kommen musste, die Großeltern gerieten in Schwierigkeiten und kämpften ums Überleben des Betriebes. Großmutter steckte nun ihr Erbteil in das Geschäft, damit ein Konkurs vermieden werden konnte. Aber Uroma blieb meinen Großeltern noch lange erhalten. Sie war es gewohnt, Befehle zu erteilen, hatte sie ja in ihrem Betrieb das Sagen gehabt. Stets hatte sie ihre Lorgnette an einer Kette hängen und trug nur schwarze Kleider aus schwerer Seide.
    Großvater bekam nach Aufgabe des Geschäftes eine Anstellung bei der Stadtverwaltung und blieb dort bis zur Pensionierung. Großmutter stammte aus einer Bauernfamilie. Sie besaßen den größten Hof in der Gegend und gehörten zu den wichtigsten Steuerzahlern. Großmutter hatte noch einen älteren Bruder, Fritz, und eine jüngere Schwester, Mina. Als junges Mädchen verliebte sich Oma in einen Landschaftsmaler, sie wollten heiraten und zusammen in das kleine Malerhäuschen ziehen. Um das zu verhindern, wurde Oma in der Nähe in ein Kloster geschickt. Die streng katholische Einstellung hat sie sozusagen von dort übernommen. Während ihres Aufenthaltes im Kloster lernte sie, Altardecken und Gewänder zu sticken, sie entwarf Motive und stickte sie aus, ebenso lernte sie perfekt nähen, was ihr später bei der Erziehung von sieben Mädchen zugute kam. Zu meinem zehnten Geburtstag bekam ich ein selbst genähtes weißes Kleid. Am unteren Saum hatte Oma selbst entworfene Mohnblumen mit Blättern aufgestickt. Es war ein Traum und es wurde sehr bewundert, und ich war unendlich stolz.

    Als Omas Vater starb, entließ

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