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Als es Nacht war in Dresden: Roman (Frauenromane) (German Edition)

Als es Nacht war in Dresden: Roman (Frauenromane) (German Edition)

Titel: Als es Nacht war in Dresden: Roman (Frauenromane) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Siemon
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Freitag. Sie wohnten im selben Hotel wie ich und blieben ebenfalls bis Sonntag. So vereinte uns alle ein gemeinsames Mittagessen, bevor sich unsere Wege wieder trennten. Es blieb nicht viel Zeit, um Geschehnisse zu erzählen, obwohl, es hätte vieles zu erwähnen gegeben und viele Fragen zu beantworten, beispielsweise haben zwei meiner Cousinen ebenfalls ihre Männer verloren. Beide Männer saßen einfach tot im Sessel, beide mittleren Alters. Was muss das für ein Schock gewesen sein! Die älteste Cousine hingegen wurde gerade von ihrem Mann verlassen. Ohne Angabe von Gründen. Zwei Tage zuvor hatte sie für die Teilnahme an der Feier noch ein Doppelzimmer bestellt, weil ihr Mann mitkommen wollte. Sie war deshalb nicht gerade in bester Verfassung, hielt aber tapfer durch. Trotz allem, wir konnten uns freuen, einander wieder einmal zu sehen. Zum Teil lagen Jahrzehnte dazwischen, seit ich die eine oder andere Cousine zuletzt getroffen hatte. Die Gründe könnten sein, dass die Entfernung zu groß oder ich zu sehr eingebunden war mit dem großen Haushalt oder dem Betrieb, den Richard aufgebaut hatte. Die Hauptursache war aber wohl, dass ich sehr früh von zu Hause weggegangen bin. Meine Cousinen trafen sich von Kindesbeinen an regelmäßig, verbrachten zusammen mit ihren Eltern die Sommerferien, kannten des anderen Freuden und Sorgen. Sie sahen gemeinsam ihre Kinder groß werden und zum Teil sind auch schon Enkel da.
    »Wo warst du denn in all den Jahren?« war ihre Frage an mich.
    »Man hat dich selten zu Gesicht bekommen, meist nur zu einer Beerdigung. Wann haben wir uns überhaupt das letzte Mal gesehen?«, fragte mich die jüngste Cousine Gabriela, die sich neben mich setzte, während wir auf Getränke warteten. »Erzähl mal.«
    Das ließ sich natürlich nicht in ein paar Sätzen abhandeln. Die Zeit würde nicht ausreichen, um auch nur das Wesentliche zu berichten.
    »Warst du nicht schon sehr früh in Dresden?«, fuhr sie fort, »und als du nach dem Krieg zurückkamst, warst du, soviel ich weiß, im Schwarzwald.«
    So erzählte ich ihr in groben Umrissen, was ich seit meinem 14. Lebensjahr alles gemacht und erlebt habe. Wie lange ich berichtete, weiß ich nicht. Gabriela hörte einfach nur zu.
    »Sag mal, warum schreibst du darüber nicht ein Buch?« Ich erzählte ihr, dass ich vor vielen Jahren an einem Fernkurs für Schriftsteller teilgenommen habe und eigentlich vorgehabt hatte, ein Kinderbuch zu schreiben. Mein Onkel wollte dafür die Grafiken machen. Der alte Traum kam mir inzwischen zu verwegen vor. Ich bin aus allem raus, habe begriffen, wie einem das Leben entgleiten kann, wie die Zeit vergeht und vieles mitreißt: Hoffnung, Träume und manchmal auch den Mut.
    »Warum versuchst du es nicht einfach? Unsere Cousine hat es doch auch geschafft.« Das stimmt, aber als Journalistin hat sie natürlich bessere Voraussetzungen und in meinem Alter …
    »Es geht um den Versuch«, sagte Gabriela, »du schaffst das.« So entschloss ich mich, den Versuch zu wagen und all das Erlebte zu Papier zu bringen. Immerhin eine Art Versprechen an Gabriela.

1

    Ende November 1926, genauer am 28., wurde ich an einem Sonntag geboren, nach Angaben der Hebamme wog ich keine drei Kilo, war sehr klein und zeigte scheinbar keine Lust auf das Leben. Verständlich, denn meine Mutter war gerade 17 Jahre jung, ihre Schwangerschaft war nicht bemerkt worden. Sie gebar mich alleine in ihrer Dachkammer. Ihre älteste Cousine Martha bewohnte nebenan das Dachstübchen und hörte das Klagen und Stöhnen meiner Mutter. Sie alarmierte zunächst ihre Eltern im ersten Stock. Diese wiederum alarmierten meine Großeltern im Parterre. Welch eine Aufregung! Wie war so etwas überhaupt möglich? Zum Glück wohnte unser Hausarzt in der Nähe, der auch sofort kam. Er sah nach, ob auch alles an mir dran sei, wie er sagte, hielt mich, wie meine Großeltern mir später erzählten, mit einer Hand unter die Lampe.
    »Na, die Kleine wird das Leben schon meistern, hat sie es doch ganz gut gemacht, indem sie sich bis zuletzt ganz im Verborgenen hielt.«
    Die kommenden Jahre lebte ich zusammen mit zwei weiteren Schwestern meiner Mutter, Martha und Ines, bei meinen Großeltern. Großvater gab keine Einwilligung zur Heirat, so war ich also ein uneheliches Kind, dies war in jenen Jahren für eine streng katholische Familie unverzeihlich. Großvater war der Meinung, dass meine Mutter mich nicht alleine erziehen könne. Mein leiblicher Vater war noch in der Ausbildung

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