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Als es Nacht war in Dresden: Roman (Frauenromane) (German Edition)

Als es Nacht war in Dresden: Roman (Frauenromane) (German Edition)

Titel: Als es Nacht war in Dresden: Roman (Frauenromane) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Siemon
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besuchte, das für die Mutter und den Vater nicht zu schmerzlich war, wieder die Wunden aufreißen würde, die vielleicht schon langsam zu heilen begannen? Schlimmer würde es für sie werden, wenn der Krieg zu Ende war und ihr Sohn auch dann nicht mehr heimkehrte.

    Es war alles andere als eine schöne Fahrt nach Hause. Kaum hatte ich mich ein wenig erholt, ging es schon in Richtung Hamburg. Nach Neugraben, zu Lisa und Martin. Lisa holte mich in Hamburg ab. Der Zug hatte sieben Stunden Verspätung. Bombenangriff war die Ursache, aber wo? Der Zug wurde umgeleitet, blieb zwei Stunden auf freier Strecke stehen, fuhr weiter und blieb abermals stehen. Schreckliche Gedanken nahmen von mir Besitz. Ich war auf einmal so niedergeschlagen. Zum ersten Mal hatte ich Zweifel an meinen Unternehmungen. Hatte Großmutter doch recht, als sie meinte: »Bleib bei uns, ich mache mir große Sorgen um dich. Du bist doch mein Mädchen. Der Krieg muss bald mal ein Ende haben, dann kannst du immer noch etwas Neues unternehmen.«
    »Ach, Oma, weißt du, ich bin doch schon angemeldet in Radebeul. Nach den Ferien beginnt der Unterricht. Die Schule dauert zwei Jahre, wenn diese vorbei sind, werde ich wiederkommen. Dann werde ich sicher auch bleiben und mir hier eine Arbeit suchen, und wir werden uns oft sehen können. Lass mich dies noch zu Ende bringen. Dann sehen wir weiter, versprochen, Großmutter!« Sie streichelte mich so lieb und hatte dabei nasse Augen, dass auch ich mit den Tränen kämpfte.
    Großvater sprach nicht viel über alles, meinte aber: »Hansli, du wirst es schon richtig machen. Du bist ein tapferes Mädchen. Um dich braucht einem nicht bange zu sein. Weiter so.«
    Was sagte meine Mutter? Ihre Zurückhaltung schmerzte sehr. Ich hätte mir so sehr gewünscht, dass sie mir eingestand, sie würde sich Gedanken um mich machen. Ich sollte gut auf mich aufpassen oder irgendetwas, aber sie sagte nur zum Abschied: »Bereite mir keine Sorgen, wir haben schon genug davon.« Zum Abschied überreichte sie mir einen Umschlag mit Lebensmittelmarken und Geld, ich schien ihr doch nicht gleichgültig zu sein. Freudig umarmte ich sie, nicht wegen des Umschlags, nein, einfach, weil sie mir zum Schluss das Gefühl gab, dass sie mich liebte.
    All diese Gedanken waren auf der langen Fahrt meine Begleiter. Froh war ich darüber, dass ich zuerst zu meinen Angehörigen gefahren war. Wäre ich nach Hamburg nicht zurechtgekommen, hätte es keine Möglichkeit zur Weiterreise gegeben. Dann hätte ich versucht, in Richtung Dresden zurückzufahren. Aber es klappte doch, dass ich Vater sehen konnte und wir besprechen konnten, was würde werden, wenn … ? Diese Gelegenheit hatte ich, als Vater mir am Samstagvormittag den Vorschlag machte, ich solle ihn doch begleiten. Er habe einen Transport nach Neumünster zu übernehmen. Mir kam dieser Ausflug sehr gelegen. Selbst, wenn Lisa, seine Sekretärin, über alles Bescheid wusste, so besprach ich mit Vater doch lieber alles alleine, was mich betraf. Auf der Fahrt nach Neumünster musste ich Vater über alles berichten. Er wollte sogar wissen, wie es meinen Großeltern ging. Er hatte Großvater noch nicht ganz verziehen, dass er damals meine Mutter nicht heiraten durfte. Scheinbar konnte er sie nicht vergessen. Ganz vorsichtig stellte er seine Fragen. Er war sichtlich aufgeblüht, als wir von Mutter sprachen. Ob sie ihm immer noch wichtig war? Fast wollte ich es glauben. Auf der Strecke nach Neumünster wurden wir einige Male angehalten und von der Feldpolizei kontrolliert. Vater zeigte immer nur seinen Ausweis und ein Dokument, wohin und wofür die Ladung bestimmt war. Es wurden keine weiteren Fragen gestellt. Vielmehr hob man die Hand an den Helm und wünschte gute Fahrt.
    Plötzlich gerieten wir in starken Nebel. Vater konnte kaum noch etwas sehen und fuhr ganz langsam. Er blieb auf einmal auf einer Pannenspur stehen.
    »So kann ich nicht mehr weiterfahren.«
    »Was machen wir jetzt?«, fragte ich.
    »Das weiß ich selbst nicht. Dieses Fahren ist mit der Ladung zu gefährlich.« Was geladen war, konnte ich nur vermuten. (Es waren Teile für die V-Waffe, wie ich später erfuhr.) Das Rauchen musste Vater auf dieser Fahrt ganz unterlassen. Seine Nervosität war sichtbar, doch das Warten war zum Glück von kurzer Dauer. Eine Kontrollstreife hielt an. Vater besprach sich mit ihnen und ein Aufatmen war zu hören.
    »Auf diesen Transport«, erklärte Vater den beiden Militärs, »wird dringend gewartet.« Der

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