Als Gott ein Kaninchen war
feuchtes Holz bald bis auf unsere Haut durchdrang, aber nicht auf unangenehme Weise. Die Verkehrsgeräusche kletterten langsam über die hintere Mauer, schleichende Vorboten des Sonnenaufgangs. Er sah sich im Garten um, es schien ihn zu beruhigen. Es könnte aber auch das Licht gewesen sein, denn Schatten verbergen Schatten.
» Du warst ein grottenschlechter Gärtner, der einen wunderschönen Garten geschaffen hat«, sagte ich. » Ginger hat immer gesagt, bei dir würde eine Frau schon schwanger werden, wenn du sie bloß anschaust. Sie hat dich sehr geliebt.«
Er nickte. Seufzte tief.
» Alle scheinen mich geliebt zu haben. Aber was soll ich bloß damit anfangen?«
Ich spürte, wie der Verdruss sich wieder in seine Stimme schlich.
» Wie war dein Abend?«, fragte ich.
» Seltsam. Ich wurde von irgendeinem Typen abgeschleppt und bin mit zu ihm. Und noch bevor ich mich ausziehen konnte, teilte er mir mit, was für ein Arsch ich doch sei und dass er auch nicht mit mir vögeln würde, wenn ich der letzte Mensch auf der Welt wäre. Ungefähr zu diesem Zeitpunkt kam auch noch sein Mitbewohner aus seinem Zimmer, um Zeuge dieser Demütigung zu werden.«
» Tut mir leid für dich«, sagte ich und versuchte ein Lachen zu unterdrücken.
» Nein, lach nur. Das bewirkt bei mir wahre Wunder.«
» Noch Kaffee?«
» Gern.«
Ich schenkte ihm nach.
» Also, wer war der Typ?«, fragte ich.
» Ein Gesicht aus der Vergangenheit? Jemand, den ich schlecht behandelt habe? Einer, der mich zur Abwechslung mal nicht geliebt hat? Keine Ahnung. Er meinte, ich würde mich wohl über ihn lustig machen, als ich sagte, ich könne mich nicht an ihn erinnern.«
Er nahm seine Tasse.
» Ich bin wieder zu der Bank gegangen«, sagte er.
» Warum?«
» Ich bin über die Brücke gegangen, weil ich spüren wollte, was sie mir bedeutet hat, so wie du es mir erzählt hast. Wollte die Person spüren, die ich sein müsste. Aber ich konnte es nicht. Irgendetwas ist aus den Fugen geraten. Ich bin aus den Fugen geraten. Ich saß da und schaute auf die Stadt und sehnte mir wieder diese letzten Augenblicke herbei. Ich dachte, es würde mich vielleicht dazu bringen, mich an irgendetwas zu erinnern oder mich zu fürchten, irgendwas. Aber es war bloß eine Bank. Es stellte sich weder ein Gefühl des Friedens ein, noch ein Gespür für den Ort. Ich dachte, es würde vielleicht helfen. Ich mache alle so unglücklich. Ihr erinnert euch an jemanden, dem ich nicht gerecht werden kann. Niemand will den Menschen, der ich heute bin.«
» Das stimmt nicht«, sagte ich ohne jede Überzeugung.
» Doch. Ich wünsche mir manchmal sogar, ich könnte einfach wieder zurück ins Krankenhaus. Irgendwie war es eine Art Zuhause für mich. Hier draußen habe ich nichts zu suchen. Ich fühle mich verloren.«
*
Nach dieser Nacht änderte sich alles. Danach brachte er keinerlei Interesse mehr auf. Nun verstand ich auch, warum Charlie meinen Eltern gesagt hatte, sie sollen besser mich herschicken statt selbst zu kommen. Am Ende war nur Leere und Schmerz. Ich müsse Geduld haben, hatten die Ärzte gesagt. Aber irgendwann würde mir die Geduld ausgehen. Wenn er sich ein Käsesandwich machte, sagte ich: » Du mochtest nie Käse«, und dann sah er mich an und sagte oft etwas wie: » Tja, aber jetzt schon.«
Er erwähnte, dass er allein leben, uns nicht die ganze Zeit um sich haben wolle, so sehr belasteten ihn unsere Erwartungen. Und ich brachte es nicht übers Herz, das meinen Eltern zu erzählen, die schon ungeduldig auf seine geplante Rückkehr warteten. Er fing an, den ganzen Tag wegzubleiben, sich über Fotos lustig zu machen, die ich ihm zeigen wollte, und versuchte, gemein zu sein, um uns von ihm zu distanzieren. Er sagte, er könne uns nicht mal leiden. Die Ärzte meinten, das sei ganz normal.
Wir mieteten uns ein Auto und fuhren in den Norden hoch, wo Charlie herkam. Als wir dort ankamen, versank die Sonne gerade hinter den Berggipfeln. Es hätte so schön sein können, die wechselnden Farben, die am Horizont um unsere Gunst buhlten, das Feuer, das sich in unseren Gesichtern spiegelte. Aber unsere Gesichter blieben traurig, und im Auto hatte keiner von uns auch nur ein Wort gesagt. Eine düstere Atmosphäre ließ unsere Freundschaft verstummen; letztendlich wartete eine Trennung nur darauf, sich Gehör zu verschaffen.
Charlie brachte Joe zu seinem Zimmer, und den restlichen Abend bekamen wir ihn nicht mehr zu Gesicht. Uns war nicht nach Abendessen; viel zu oft
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