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Als ich im Sterben lag (German Edition)

Als ich im Sterben lag (German Edition)

Titel: Als ich im Sterben lag (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Faulkner
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gut, bis eines Tages auffiel, dass die Frauen überhaupt nie mehr krank wurden. Da hat man all die alten Ärzte rausgeworfen und uns gutaussehende junge eingestellt, die den Frauen gefielen, und da fingen die Frauen wieder an, krank zu werden, und das Geschäft florierte wieder. Das wird jetzt im ganzen Land so gemacht. Haben Sie noch nie davon gehört? Vielleicht, weil Sie nie einen Arzt gebraucht haben.»
    «Jetzt brauch ich einen», sagt sie.
    «Und da sind Sie gleich beim richtigen», sag ich. «Das hab ich Ihnen schon gesagt.»
    «Haben Sie ein Mittel dagegen?», fragt sie. «Ich hab das Geld.»
    «Nun», sage ich, «natürlich muss ein Arzt alles Mögliche lernen, nicht nur, wie man Abführzäpfchen dreht, das gehört auch dazu. Aber Ihr Problem – ich weiß nicht so recht.»
    «Er hat gesagt, ich könnte was bekommen. Er sagt, ich bekomm’s im Drugstore.»
    «Hat er Ihnen gesagt, wie das Mittel heißt?», sag ich. «Besser, Sie gehn zu ihm und fragen ihn noch mal.»
    Sie sah mich nicht mehr an und drehte das Taschentuch mit dem Geld darin hin und her. «Ich muss unbedingt etwas tun», sagt sie.
    «Wie dringend müssen Sie unbedingt etwas tun?», sag ich. Sie sieht mich an. «Natürlich weiß ein Arzt vieles, von dem die Leute nicht wissen, dass er’s weiß. Aber er darf nicht alles sagen, was er weiß. Das ist gegen das Gesetz.»
    Jody vorn sagt: «Skeet.»
    «Entschuldigen Sie mich eine Minute», sage ich. Ich gehe nach vorn. «Siehst du ihn?», frage ich.
    «Bist du noch nicht fertig?», sagt er. «Vielleicht kommst du jetzt her und achtest auf die Straße, und ich mach mit der Konsultation weiter.»
    «Vielleicht legst du ’n Ei», sag ich. Ich geh zurück. Sie sieht mich an. «Natürlich ist Ihnen klar, dass ich ins Gefängnis kommen kann, wenn ich tue, was Sie von mir verlangen», sage ich. «Ich würde meine Zulassung verlieren und müsste arbeiten gehn. Ist Ihnen das klar?»
    «Ich hab aber nur zehn Dollar. Ich könnte den Rest vielleicht nächsten Monat vorbeibringen.»
    «Puuuh», sage ich, «zehn Dollar? Sehn Sie, ich kann für mein Wissen und mein Können keinen Preis festsetzen. Aber einen mickrigen kleinen Zehndollarschein, nein, das nun wirklich nicht.»
    Sie sieht mich an, blinzelt nicht mal. «Was wollen Sie also?»
    Die Uhr stand auf vier vor eins. Also hielt ich es für besser, sie erst mal hier wegzuschaffen. «Dreimal dürfen Sie raten, dann zeig ich es Ihnen», sag ich.
    Sie zuckt mit keiner Wimper. «Ich muss unbedingt was tun», sagt sie. Sie sieht sich um, nach hinten, dann zum Vordereingang. «Geben Sie mir erst das Medikament», sagt sie.
    «Wollen Sie sagen, Sie sind bereit dazu, jetzt sofort?», sag ich. «Hier?»
    «Erst das Medikament», sagt sie.
    Ich nahm ein Messglas, kehrte ihr den Rücken zu, suchte irgendeine Flasche aus, die mir geeignet schien, denn wenn einer Gift rumstehn lässt, in einer Flasche ohne Etikett, gehört er sowieso ins Gefängnis. Es roch nach Terpentin. Ich goss ein bisschen davon ins Messglas und gab es ihr. Sie roch daran und sah mich übers Glas hinweg an.
    «Riecht nach Terpentin», sagt sie.
    «Aber ja», sag ich, «das ist der Anfang der Behandlung. Sie kommen heute Abend um zehn wieder, dann gebe ich Ihnen den Rest und führe die Operation durch.»
    «Operation?», sagt sie.
    «Tut nicht weh. Sie haben die gleiche Operation schon mal überstanden.»
    Sie sieht mich an. «Wirkt es wirklich?», fragt sie.
    «Und ob es wirkt. Sie müssen bloß wiederkommen und es sich holen.»
    Also trank sie, was immer es war, ohne mit der Wimper zu zucken, und ging hinaus. Ich ging nach vorn.
    «Hast du’s nicht gekriegt?», fragt Jody.
    «Was nicht gekriegt», sag ich.
    «Ach komm», sagt er. «Ich hab keine Lust, es dir aus der Nase zu ziehn.»
    «Ach die Kleine», sag ich. «Sie hat bloß ein Medikament gebraucht. Sie hat einen schlimmen ruhrartigen Durchfall und hat sich geniert, das vor einem Fremden zu sagen.»
    Ich hatte heute sowieso Nachtdienst, also half ich dem alten Knacker beim Kassensturz, setzte ihm seinen Hut auf und ging mit ihm gegen halb acht zur Ladentür raus. Ich begleitete ihn zur Ecke, sah ihm nach, bis er durch den Lichtkegel von zwei Straßenlaternen ging und dann nicht mehr zu sehen war. Ich ging in den Laden zurück, wartete bis halb zehn, machte vorn die Lampen aus, schloss die Tür ab und ließ nur im Hintergrund eine Lampe brennen. Dann füllte ich sechs Kapseln mit Talkumpuder, machte im Keller ein bisschen Klarschiff, und dann

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