Als ich noch der Waldbauernbub war - Arena Kinderbuch-Klassiker
Mariazeller Rosenkranz umgehängt, zwei Zehen mit einem Seidenfaden zusammengebunden, die Füße ins Ofenloch gesteckt und sonst allerhand Mittel angewendet. Überhaupt nichts hat’s geholfen! Schreien tut das arme Wesen, als ob man’s wollt köpfen, und jetzt weiß ich nichts mehr. – Katherl, Katherl, du gutes, armes Kindel du! Wart einmal, jetzt will ich dir Hühnermist aufs Genick legen, das zieht’s aus, das hilft, Katherl, wirst es schon sehen, das hilft!« Damit eilte sie wieder hinaus in die Küche.
Das ganze Hausgesinde war zusammengeeilt um die Leidende, die nun neuerdings anhub herzbrecherisch zu schreien: »Mein Zahn, mein Zahn! Ahndl, mein Zahn tut mir so viel weh!«
»Lass nur Zeit«, tröstete die Angerufene, »das Mittel greift halt an, jetzt wird’s bald besser sein, schau, bist ja mein liebes Katherl, du!«
Auch ich war in die Küche hinausgegangen. Auf dem Herde, mit den Füßen im Ofenloch, kauerte ein Dirndl, das ein so rundes, liebes Gesichtlein hatte, seine gefalteten Hände, wie um Hilfe flehend, an die rechte geschwollene Wange presste und mich schrecklich dauerte. Jedes im Hause hatte schließlich noch ein Mittel gewusst, keines und gar keines hatte geholfen. Ein Mensch war zugegen, der behauptete, Dummheit wär’s, die Zähne nicht ordentlich zu pflegen, und deswegen alleweil das Zahnweh! – Gott, wenn’s von der Dummheit kommt, da muss ja mein Hasenöl helfen! – Aus meinem tiefen Sacke zog ich das kostbare Tiegelchen hervor und aus meinem gescheiten Kopf den guten Rat, mit diesem gestockten Hasenöl die geschwollene Wange einzuschmieren. – »Schaden wird’s wohl doch nit; wenn’s ein Hasenöl von der Apotheken ist, kann’s unmöglich schaden!«, sprach die Großmutter und fettete das Dirndl ein. – Nicht fünf Minuten, so rief die Kleine aus: »Ahndl, jetzt ist’s gut!«, und flink sprang sie vom Herde herab.
Freilich ging ich nun meine Not an, denn alles Hasenöl wollten sie haben, ich sollt nur sagen, was es kostet! Von ihren dringenden Bitten kamen sie erst ab, als das geheilte Dirndl erklärte, der Zahn wäre so fest gut geworden, dass er gar nimmer weh tun werde, also konnte ich mein Öl wieder in den Sack stecken und sehen, wie man von Tragöß nach Krieglach-Alpel kommt.
Unterwegs dachte ich über das Hasenöl nach. Wenn es beim dummen Weber-Hartl auch so heftig wirkt wie bei dem Zahnweh-Dirndl, dann geht er mit den drei Weisen aus dem Morgenlande als der vierte.
Nach einer fünfstündigen Wanderung war ich wieder dort, wo der müde Junge einen Tag früher in den Bauernwagen gestiegen. In einem Gehöfte fragte ich, wie viel es an der Uhr sei, wie weit es noch bis Krieglach wäre, ob ich wohl den richtigen Weg hätte. Die gründlichsten Auskünfte haben sie gegeben, jedoch, ob ich etwa einen Löffel Suppe möchte, das fragte niemand. Unter einem Kirschbaum lag ein Mensch und wimmerte vor Kopfweh; allsogleich wollte ich mein Mittel anbieten, jedoch ein Weibsbild behauptete scharf und stramm, das Kopfweh sei in der vorigen Nacht in einem Wirtshause eingekauft worden, und vor dem Abend gebe es gar kein Mittel; am Abend aber würde dieser Kopf schon von selber gut, hingegen dürften nachher dem, der ihn aufhätte, die Backen wehtun! – Eine Handbewegung des Weibes hat das undeutliche Wort sehr klargestellt.
Unterwegs nach Krieglach lud mich ein Fuhrmann, der Eisen geladen hatte, ein, auf seinen Eisenplatten Platz zu nehmen; ich befürchtete, auch der möchte mich »heimzu« führen in die Stanz oder in die Veitsch oder sonst wohin; wollte daher ablehnen. Der Fuhrmann kannte mich aber und sagte, dass er über Alpel nach dem Rettenegger Hammer fahre – ja, das war freilich eine Schickung Gottes. Gelegen bin ich mein Lebtag schon weicher als damals auf den Eisenplatten, geschlafen habe ich selten besser. Richtig hätte ich jetzt auch an Alpel vorbei bis weit hinüber ins Rettenegg geschlafen, wenn mein Führer mich nicht abgesetzt hätte beim Heidenbauern-Thörl, nahe von daheim.
Um Mitternacht kam ich zu Hause an. Sie waren ein wenig in Spannung und schliefen noch nicht. »Wir haben schon gemeint, der Kindberger Apotheker hat zum Schweineschmalz dich selber als Draufgab’ genommen«, sagte der Vater, das war Spaß. Dem alten Weber-Hartl jedoch war etwas ganz anderes eingefallen. Er erinnerte sich, einmal gehört zu haben, dass die Apotheker jährlich ein Menschenkind abschlachten, um daraus eine ganz besondere Medizin für ganz besondere Krankheiten zu gewinnen.
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