Als ich noch der Waldbauernbub war - Arena Kinderbuch-Klassiker
– Es war wohl die höchste Zeit für den alten Hartl, dass ich mit dem Hasenöl heimkam!
Erst steckte er seine Nase ins Tiegelchen. »Scharf schmecken tut’s, das wird schon angreifen«, murmelte er, »tut eh schon wieder so viel brummen im Kopf.« Mein Vater roch auch und schaute mich grauenhaft strenge an. – Ich hatte nie begriffen, weshalb die Apotheker auf jeden Tiegel, den sie verkaufen, einen Zettel mit ihrem Namen und Wohnort kleben. Jetzt ward es mir klar, ohne diesen Zettel auf dem Tiegelchen hätte man es mir daheim niemals geglaubt, dass ich mein Hasenöl nicht aus dem Schweinsfettkübel genommen, sondern aus der Apotheke zum heiligen Josef in Bruck.
»Hat er’s genommen, wo der will«, rief der alte Weber hochgemut aus, »wenn’s nur hilft!«, und begann, sich gleich die Stirn einzureiben mit dem Hasenöl.
Hat’s geholfen? – Nun, die Wahrheit zu sagen, beim alten Weber-Hartl konnte eine nennenswerte Besserung nicht nachgewiesen werden, hingegen ist mein Vater durch dieses Hasenöl klüger geworden, obschon er sich damit gar nicht eingerieben hatte. Er hat wohl auch in späterer Zeit noch manches Küblein Schweinsfett, manches Bündlein Wurzeln und Kräuter in die Apotheke geschickt – holen aber ließ er nichts mehr aus ihr. – Das für alles heilsame »Hasenöl« hat uns für alle Zukunft geheilt.
Fronleichnam
Der Fronleichnamsaltar
W enn der siegreiche Heiland in Brotgestalt durch das Dorf zieht, da winken sie ihm mit Palmen zu. Die Palme der Alpen ist die Birke. So wie zu Weihnachten die Tannenbäumchen ihr Leben lassen müssen, so zu Fronleichnam die Birken. Zu Hunderten werden sie auf großen Karren herbeigeschleppt in das Dorf und werden an den Gassen, durch welche die Prozession ziehen wird, der Reihe nach in den Boden gebohrt zu beiden Seiten. Und wie sie so auf dem frischen Erdboden stehen und der laue Wind in ihren leichten Zweigen rieselt, da ist’s, als führten sie das junge fröhliche Leben wie jene Stammesgenossinnen dort drüben am Haine. Und man merkt es nicht, dass der Stamm in der Erde wurzellos ist, abgehauen durch das Beil, dass die Säfte in ihren Adern nicht mehr treiben, dass in wenigen Tagen die schönen, gezackten Herzblättlein gilben werden; und die Raupe auf einem schwanken Ästlein, die ein künftiges Schmetterlingsleben träumt, sie ahnt nicht, dass sie auf einem Leichnam sich schaukelt.
Das Leben ist erfüllt, es kommt der Herr.
Bei der Fronleichnamsprozession werden im Freien an vier verschiedenen Stellen die Evangelien gelesen. Dazu errichten die Leute vier Altäre, damit »der Herrgott abrasten kann auf seiner Wanderschaft«. Auf wessen Grund der Altar zu stehen kommt, und das ist seit alten Zeiten bestimmt, der hat diesen Altar zu errichten. Die hübsch geschnitzten und bemalten Bestandteile dazu sind das Jahr über auf dunklem Dachboden gelegen, nun werden sie hervorgeholt, von Staub und Spinnweben gereinigt und im Freien zusammengestellt, oft zu einem stattlichen, kapellenartigen Aufbau mit dem Altartische, dem Tabernakel, den anbetenden Engeln und den Kerzenleuchtern. Knechte, die gestern noch Dung gegraben, zeigen sich heute als geschickte Architekten, errichten den Altar noch vor Sonnenaufgang und umgeben ihn mit einem Birken- oder Lärchenwäldchen. Der Hausvater stellt alle Heiligenbilder, die im Hause vorhanden, auf den Altar oder heftet sie an, hoch oben an den Säulen. Die Bäuerin bringt bunte Töpfe mit glutroten Pfingstrosen, um damit den Altar zu schmücken, und die Mädchen streuen Blumen und Rosenblätter als einen Teppich vor die Stufen.
Die Glocken heben an zu läuten, die Böller krachen, über die Dächer her klingt Musik, in allen Fenstern brennen Lichter und so zündet nun auch der Bauer die Kerzen an auf seinem Altare. Bald wehen die ersten Fahnen heran, summen die Gebete der Männer, schallen die Gesänge der Frauen, es kommen die langen Reihen der Kinder, die weiß gekleideten Mädchen, über ihren Häuptern bunte Bildnisse tragend. Endlich die Musikkapelle mit hellen Trompeten und dröhnenden Trommeln und dann der »Himmel«. Der rote, von vier Männern getragene Baldachin, unter demselben, von Ministranten und lichtertragenden Knaben umgeben, der Priester, der hoch vor seinem Angesichte her die funkelnde Monstranz trägt.
Die Monstranz, das wissen wir alle, ist das Haus für die Hostie. Diese ist von einem goldenen Strahlenkranze umgeben, ruht auf einem mondzipfelförmigen Behälter und ist durch Kristall geschützt. Das
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