Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Als ich noch der Waldbauernbub war - Arena Kinderbuch-Klassiker

Als ich noch der Waldbauernbub war - Arena Kinderbuch-Klassiker

Titel: Als ich noch der Waldbauernbub war - Arena Kinderbuch-Klassiker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arena
Vom Netzwerk:
Lärchenbrettern nach Bruck zum Fassbinder gefahren, auf dem Rückweg hatte er einen Sack Feldbohnen und einen Stock Salz aufgeladen; daneben war noch reichlich Platz für einen einfältigen Burschen, der am Leiblein ein Paar müde Beine hatte, hingegen aber in der Tasche die Salbe für Dummköpfe, die gescheit werden wollen. Ich war bereits so gescheit, um den Burschen auf dem Wagen anzurufen, ob er mich aufsitzen lassen wolle.
    »Wohin willst denn?«, fragte er fast vornehm und von seiner Höhe herab.
    »Heimzu.«
    »So setz dich auf, ich fahr auch heimzu.«
    Bald war der Bohnensack mein Kopfkissen und der Salzstock mein Schlafkamerad, der Fuhrmann schnalzte mit der Peitsche und es ging knarrend voran. – Viel weiß ich nicht von derselbigen Fahrt »heimzu«. Einmal, als ganz zufällig die Augen aufgingen, sah ich kohlschwarze Baumzacken in den nächtigen Himmel aufragen, welche ganz unheimlich ächzten, knarrten und holperten. Und dann wieder nichts.
    Als ich erwachte, na, da war etwas! Da lag ich auf dem Wagen unter einem alten Holzschuppen, um mich war heller Tag und eine fremde Welt. Eine schreckbar fremde Welt. Der rauschende Bach mit der Mühle daneben, das gemauerte Haus mit einer breiten, braun angestrichenen Tür, der Anger mit den Pferden und solcherlei war mir seltsam genug, noch unheimlicher war etwas anderes. Dort hinter den Waldbergen stand breit und hoch etwas Weißes, Leuchtendes auf, fast ähnlich den mittägigen Sommerwolken, wie sie sich am Horizont emporbauen, wenn’s nachmittags Gewitter gibt. Aber das stand da so starr und ruppig und rissig da im Sonnenschein und von unten hinauf sah es aus, als ob blauende Wälder sich hinanzögen, von steilen grauen Streifen überall unterbrochen. Und höher oben war alles wie purer Stein, der zerklüftet und zersprungen ist. Und so war es voran oben und so war es rechts oben und so war es links oben und überall die ungeheure Höhe, dass mir schwindlig ward, als ich den Kopf so weit nach rückwärts bog, um hinaufzuschauen. Mein Lebtag hatte ich derlei nicht gesehen. Zum Glück kam nun mein junger Fuhrmann, der fragte mit lautem Lachen, ob ich gut ausgeschlafen hätte. Vom Wagen gesprungen war ich schon, so rief ich nun voll Entsetzen: »Mensch, wohin hast du mich geführt?«
    »Heimzu!«, lachte er. »Da bin ich daheim.«
    »Wie heißt’s denn da?«
    »Da heißt’s Tragöß«, sagte er.
    »Und das da droben? Was ist denn das?«
    »Die Berge meinst?«
    »Nit die Berge, was hinter den Bergen so steht, das meine ich.«
    »Jesses!«, lachte der Bursche und klatschte mit beiden Händen auf seine Knie. »Das sind halt wieder Berge, da ist die Messnerin, dort ist die Pribitzen und hier ist der Hochturm und du sollst jetzt ins Haus gehen, Suppen essen.«
    So habe ich an jenem Morgen das erste Mal die hohen Felsenberge in der Nähe gesehen. Auf dem Tisch der Hausstube, in die der Junge mich geführt, stand schon die dampfende Suppenschüssel mit weißem Brote. Ich wollte aber den Löffel nicht in die Hand nehmen: isst du, so gehörst du ihnen, musst dableiben und weißt gar nit, wer sie sind. Von der Küche kam ein älteres Weib herein, das schlug die Hände über dem Kopf zusammen, als es hörte, wie weit ich verführt worden war und dass ich anstatt nach Krieglach im Mürztale nach Tragöß am Fuß des Hochschwabengebietes gekommen bin.
    »Jetzt musst erst recht essen, Bübel, dass du nachher heimgehen magst.«
    »Frau Mutter, wie weit hab ich denn heim?«
    »Jetzt wart einmal«, antwortete sie und hub an, an ihren Fingern die Ortschaften und die Stunden abzuzählen, »ihrer zwölf Stunden wirst wohl brauchen bis ins Krieglach hinaus. Bist mir aber auch einer! So fest schlafen! Mein Seppel hat’s freilich nit wissen können, wo du hinwillst, und hat sich gedacht, ‘s wird eh recht sein ins Tragöß herein. Aber das ist jetzt schon ein Kreuz. Mach dir nichts draus, mein Wagen hat dich hergeführt und dein Schutzengel wird dich hinführen.«
    Während sie mich so tröstete, war draußen in der Küche fortwährend ein klägliches Wimmern und nun kam der Seppel herein und berichtete, das Mentschl hätte halt wieder gar so viel Zahnweh.
    »Was aber das Zahnweh für ein Elend ist!«, rief das Weib. »Jetzt leidet das Kind schon die ganze Nacht wie eine arme Seel’ im Fegfeuer. Alles haben wir schon angewendet: heiße Tücher aufgelegt, kaltes Wasser in den Mund getan, mit Rosenbuschbalsam ausgewaschen, Kalmusgeist hineingetropft, mit Salz eingerieben, einen

Weitere Kostenlose Bücher