Als Mutter streikte
horchte Vater plötzlich auf und sagte: «Käuzchen? Ich höre für mein Leben gern Käuzchen in der Nacht rufen. Du nicht auch, Clementine?» Plötzlich wurde aus nörgelnder Kritik begeisterte Zustimmung. (Jahre später saß der Makler einmal auf einer Gesellschaft neben meiner Mutter und erzählte ihr, die alte Pfarre sei das einzige Haus gewesen, das er der Käuzchen wegen an den
Mann gebracht habe; so etwas sei ihm nie wieder gelungen.)
Früh am nächsten Morgen stand ich in unserer alten, riesigen Küche und besah mir die Requisiten meiner neuen Tätigkeit: den steinernen Ausguß, den wenig vertrauenerweckenden Gasherd, den altertümlichen Spültisch. Gestern hatte ich die Schule verlassen und von Mr. Chisholm, Hochzeitsglocken und Kindern geträumt, von Musik und Büchern, von neuen Freunden. Gestern war ich zum letztenmal mittags mit dem Bus nach Hause gefahren. Zum letztenmal hatte ich mich auf den freien Platz neben Miss Buttle gesetzt, die sich wie immer darüber freute. Als Tochter eines Schriftstellers gehörte ich für Miss Buttle zu den gehobenen Kreisen.
«Hallo, liebes Kind», hatte sie gesagt, ihre Sachen zusammengerafft und sich ganz schmal gemacht, um mir mehr Platz einzuräumen. «Geht es so? Ja, also für dich fängt ja nun ein neues Leben an. Und wie soll es aussehen? Heirat und Kinder? Oder Studium und Beruf?» Sie lachte fröhlich.
«Heirat und Kinder, hoffe ich», sagte ich.
Sie legte ihre kleine, weiche Hand auf meinen Arm. «Sehr vernünftig, mein Kind, sehr vernünftig. Denn schließlich sind wir Frauen, ob wir es nun mögen oder nicht, nun einmal dafür bestimmt», sagte sie und lachte. Und als wir ausstiegen, hielt sie mir die Hand hin und sagte mit ernster Stimme: «Du weißt gar nicht, Kind, wie sehr ich dich beneide.» Sie seufzte. «Die ganze Welt gehört dir.» Dann trippelte sie davon zu ihrer Wohnung über dem Krämerladen. Arme Miss Buttle.
Das war gestern gewesen. Als ich jetzt wieder daran dachte, fragte ich mich, ob sie mich auch heute noch beneiden würde.
Es versprach wieder ein herrlicher Sommertag zu werden. Ich öffnete die Küchentür zum Garten, und von draußen wehte mir die frische Morgenluft den Duft der Blumen entgegen, die Bienen summten schon in den Sommerastern, und die Sonne schien mir köstlich warm auf Stirn und Wangen. Ich dachte an die weißen Londoner Häuser, die durch das Grün der Bäume schimmerten, an die Enten im St. James Park, an die Schiffe, die emsig tutend die Themse hinauf- und hinunterfuhren.
Vater kam in die Küche. «Nimm uns doch mit nach London», sagte ich und sah ihn mit einem, wie ich hoffte, unwiderstehlichen Blick an. (Ich habe zu lange Beine und bin nicht besonders hübsch, aber dafür habe ich, wie ich mir immer einrede, die melancholische Blässe der Frauen auf präraffaelitischen Bildern.)
«Herr im Himmel», sagte Vater. «Ich muß doch mit diesem Kerl da essen.»
«Das macht nichts. Ich könnte ja mit den Kleinen zu Lyons zum Essen gehen.»
Vater setzte den Kessel auf. «Nein, der soll man dran glauben - er hat mir nichts für meinen letzten Artikel bezahlt und wird sich wohl weiter drum drücken. Der soll uns alle mal schön zum Essen einladen.»
2
«Ich hoffe, Sie haben nichts dagegen, Lancelot», sagte Vater, «aber ich habe meine Brut mitgebracht.»
Der Zeitschriftenknabe blickte uns angewidert an. Besser gesagt: er blickte Perse angewidert an, und vor allem Trubshaw, für mich brachte er dagegen ein gewisses spekulatives Interesse auf. Er hatte ein dünnblondes Bärtchen, Vogelaugen, und bei dem Gedanken, daß er mich je anfassen könnte, bekam ich eine Gänsehaut.
«Tut mir leid», sagte Vater, «unser Haushalt ist ein bißchen durcheinandergeraten. Meine Frau hat mich gestern verlassen.»
«Schon recht, mein Lieber, aber eigentlich wollte ich Sie mit in den Club nehmen.»
«Die Kinder sind selig bei Spiegeleier und Speck», sagte Vater.
Wir gingen in ein kleines Restaurant in Soho, wo sich Perse sofort Hummer Thermidor bestellte, und sie betonte dabei, daß sie das nur bestellte, um auszuprobieren, ob sich die Mühe lohne, was, wie sie später lauthals verkündete, nicht der Fall sei. Der Zeitschriftenknabe wollte sich neben mich setzen, aber ich traute seinen Knien nicht und manövrierte ihn auf einen Stuhl zwischen Perse und Trubshaw - selten habe ich jemanden gesehen, der ein so gequältes Gesicht zog. Er unterhielt sich mit Vater über klotzige Honorare, über moderne Trends in der Literatur
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