Als Oma bist du ja ganz nett: Wie meine Mutter ein Enkelkind bekam (German Edition)
kocht, backt und brät sie heute gern und viel. Buletten, Hackbraten, Knoblauchhuhn und Kuchen aller Art bietet sie wahlweise als »Das war noch übrig«-Essen an, oder sie kredenzt es als »Hab ich nur für dich gemacht«-Gericht. Sie ist großzügig und beschenkt die Menschen gern. Sie liebt Geschenke, vor allem die, die für sie selbst bestimmt sind. An unseren Geburtstagen war es immer dasselbe Ritual. Die Familie sitzt morgens um sechs mit Vivaldi im CD -Player fröstelnd auf der Couch, und nach dem ersten Stück Kuchen haben zwei Menschen im Raum leuchtende Augen. Das jeweils beschenkte Kind und meine Mutter: »Gefällt’s dir?« Kurz: Ihre Familie ist ihr heilig. Sie liebt es, wenn alle sich lieb haben, und am allermeisten, wenn alle sie lieb haben. Nicht dass unsere Familie krisenfest wäre, aber es gibt ein sehr dicht gewebtes Band. Das schlackert hin und wieder, aber zerreißen wird es ganz sicher nicht. Es ist eher ein Leinenband als ein rotes Samtband; der Stoff ist nicht glatt, aber resistent.
Bei ihr steht also das Glück mit Pauken und Trompeten in der Wohnzimmerecke und musiziert Tag und Nacht. Wenn es nicht die Familie ist, was hat sie dann auf die ewige Suche geschickt? Ist es ihr Job, ihre Arbeit? Auch auf dieser Seite der Kompassrose ist alles in Ordnung. Sie wollte immer kreativ arbeiten, sie ist gern und mit nicht nachlassender Begeisterung Journalistin. Sie hat inzwischen fast alle Kontinente betreten und träumt noch vom Rest der Welt. Sie hat Bücher geschrieben, interessante Menschen getroffen, und ihre aktuelle Freundesanzahl auf Facebook beträgt vierhundertneunzig. Sie hat mit ihrer Vergangenheit aufgeräumt und aus den Steinen ihre Zukunft aufgebaut. Und doch ist ihre Suche noch lange nicht abgeschlossen, die Kompassnadel bleibt nicht stehen.
Glück ist offenbar subjektiv. Es gab ein paar alte Griechen, die behaupteten, wir seien verpflichtet, den gegebenen Verstand zu nutzen, der uns von den Tieren und Pflanzen unterscheidet. Diesen Verstand sollen wir dazu verwenden, um nach dem Guten zu streben. Gutes zu tun verhilft uns zu Glück. Und das erhalten wir uns, indem wir immer wieder uns selbst und unsere Wege reflektieren. Wir können es jeden Tag aufs Neue suchen und finden, und irgendwann erreichen wir dabei das unendliche, höchste Glück. Leider kann niemand, nicht mal ein Grieche, von diesem absoluten Glück berichten. So hartnäckig, wie sie sucht, könnte meine Mutter aber die Erste sein, der dies gelingt. Dazu müsste sie aber mal kurz ruhig sitzen bleiben.
SCHWANGER? ACH NEE! ACH JA.
EINE GAR NICHT MAL SO ALTE FRAU SOLL OMA WERDEN UND SUCHT NACH DEM AUSKNOPF IHRES PUPPENMUTTIPROGRAMMS
Die Nachricht, dass mein Kind ein Kind kriegt, hat mich überrascht. Aber hat sie mich unvorbereitet getroffen? Auf keinen Fall. Wer Kinder hat, denkt spätestens nach Beginn der Pubertät zwangsläufig immer mal wieder darüber nach, dass selbige sich fortpflanzen könnten. Töchter stellen in diesem Zusammenhang die Kategorie der Gebärenden dar, bis zu ihrer Volljährigkeit also die der sehr jungen jungen Mutter in spe. Also jenes Elternteils, der im Fall der Fälle die ganze Verantwortung und nur noch ganz wenig Schlaf und eigenes Leben hat. Den Gedanken, die Mutter solch einer sehr jungen jungen Mutter zu werden, mich also mit Ende dreißig um ein Enkelkind kümmern zu dürfen, dessen Mama damit beschäftigt ist, ihren Schulabschluss zu bauen und abends immer schön die Zahnspange reinzutun, war mir ein Graus. So süß konnte der kleine Hosenscheißer gar nicht sein, um zu rechtfertigen, dass ich in meinem Alter auf eine halbe Stelle gehe und wieder in diesen Brei-und-Schrei-Strudel gerate.
Sobald also Hanna – später dann ihre Schwester – zu pubertieren begann, pflegte ich eine besonders harte Gangart, was Aufklärung und Prophylaxe angeht. Wenn ich im öffentlichen Raum einer solchen sehr jungen jungen Mutter begegnete, die in der einen Hand die Zigarette und in der anderen den Kinderwagengriff hielt, während neben ihr ein ungewaschener Jungmann versuchte, so etwas wie einen Vater zu markieren, knuffte ich Hanna in die Seite und sagte: »Immer schön in der Schule aufpassen! Vor allem in Bio.« Ich weiß, das war sozial diskriminierend, die armen, benachteiligten jungen Leute! Aber tatsächlich schien es mir wichtig, dass meine Töchter kein Baby vor der Zeit kriegen. Weil mit einem Kind nämlich eine ganze Menge Züge aus dem biografischen Bahnhof fahren, für die es danach nie
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