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Als Oma noch mit Kohlen heizte

Als Oma noch mit Kohlen heizte

Titel: Als Oma noch mit Kohlen heizte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willi Faehrmann
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gesund, Mutter, ganz bestimmt.“

Der Auftrag
    Als Tilla am fünften Brückentag aus der Schule kam, da sagte die Mutter zu ihr: „Tilla, zieh dich nach dem Mittagessen warm an. Heute gehst du über die Brücke auf die andere Rheinseite. Du sollst dort Eier kaufen.“
    „Eier? Eier gibt’s doch auch hier im Dorf.“
    „Ja“, gab die Mutter zu. „Aber hier sind die Hühner bei dem Frost wohl hinten zugefroren. Jedenfalls legen sie wenig und die Eier sind teuer. Linksrheinisch sollen sie billiger sein.“
    Tilla hatte wenig Lust, mit den zerbrechlichen Eiern über die glatten Straßen zu laufen. Lieber wäre sie ohne Aufträge an den Rhein gegangen. Aber wenn Mutter sagte: „Tilla, tu das und das“, dann spielten Lust oder nicht Lust für sie keine Rolle. Das wusste Tilla nur zu gut. Meist sah sie auch ein, dass Mutter Hilfe brauchte. Tilla war das älteste Kind in der Familie. Ihre jüngere Schwester Gertrud gehörte zu den Meurerkindern, und dann gab es noch vier kleinere Brüder. Eberhard war gerade erst zwei Jahre alt geworden. Wenn Tilla sich nicht täuschte, dann war bei den Meurers im Sommer erneut ein Baby zu erwarten.
    Sieben Kinder, das war damals in Alsum nicht viel und nicht wenig. Zum Glück hatte Vater Meurer Arbeit in der Eisenhütte. Zwölf Stunden dauerte sein Arbeitstag, ein langer, schwerer Tag am Hochofen, dort, wo das Eisenerz geschmolzen wird und das Roheisen weiß glühend in die Sandformen läuft und zu Eisenbarren erstarrt. Eine schwere Arbeit war das. Viel Arbeit, doch bei dem Lohn, den Franz Meurer jeden Freitag in einer kleinen Papiertüte nach Hause trug, da sah es anders aus. Das war keineswegs viel. Die Meurers lebten damit recht und schlecht. Tillas Mutter musste oft genug den Pfennig umdrehen, bevor sie ihn ausgab.
    Tilla streifte sich nach dem Essen ihren Mantel über, zog die Wollmütze bis über die Ohren und schlug sich den roten Schal fest um den Hals.
    Dann schlüpfte sie in die Holzschuhe, die Mutter für sie beim Holzschuhmacher Peters gekauft hatte. Vorn über die ganze Spitze hin hatte sie mit einem glühenden Nagel kunstvoll die Anfangsbuchstaben ihres Namens eingebrannt. MM für Mathilde Meurer stand da mit vierhundertvierundvierzig kleinen Brennpunkten.
    Lehrer Pannbeckers hatte sie gelobt und gesagt: „Die Tilla Meurer wird mal eine richtige Erfinderin.“
    Von allen Kindern hatte er verlangt, dass sie ihr Namenszeichen in die Holzschuhe brennen ließen. Er war es leid, dass es immer wieder ein Gerangel gab, wenn die Schule aus war und die Kinder auf dem Schulflur nach ihren Holzschuhen suchten. Denn Holzschuhe sehen ohne Namenszeichen ziemlich gleich aus, besonders wenn die meisten von demselben Holzschuhmacher stammen. Lehrer Pannbeckers bestand darauf, dass die Kinder vor Beginn des Unterrichts ihre Holzschuhe in Reih und Glied auf dem Flur abstellten. „Sonst ist das Geklapper auf dem Bretterboden in der Klasse ja zum Verrücktwerden“, hatte er gesagt. Und das stimmte wohl auch.
    „Auf dem Eis wären Lederschuhe besser“, sagte Tilla.
    „Nur die Bauernkinder haben für sonntags ein Paar Lederschuhe“, sagte die Mutter. „Lederschuhe können wir uns nicht leisten.“
    „Aber auf dem Eis wären Lederschuhe doch besser“, beharrte Tilla. „Holzschuhe rutschen. Das ist für die Eier im Korb nicht gut.“
    „Sei eben vorsichtig, Kind“, sagte die Mutter.
    Sie steckte Tilla ein silbernes Zweimarkstück in den linken Fausthandschuh. „Für die Eier.“ In den rechten ließ sie zwei Zweipfennigstücke gleiten.
    „Brückengeld, klar“, sagte Tilla und lief los.
    Zu dieser Tageszeit kurz nach Mittag ging es an der Brücke ruhig zu. Kaum ein Mensch war zu sehen. Hein Kaldewitt stand am Aufgang zur Brücke und hatte sich mit dem Rücken gegen einen Eisblock gelehnt.
    Um seinen Nacken hatte er eine Lederschnur gelegt. Daran baumelte eine Geldtasche schlaff vor seinem Bauch. Viele Geldstücke konnten noch nicht darin sein.
    „Tag, Hein“, grüßte Tilla den Knecht.
    „Tag, Kind“, erwiderte er mürrisch. „Willst du nach drüben?“
    „Ja, Hein. Ich soll Eier kaufen.“
    Hein trat träge einen Schritt auf sie zu und schnippte den Verschluss der Geldtasche auf.
    Ohne ein Wort zu sagen, hielt er Tilla die geöffnete Hand entgegen.
    Tilla aber dachte nicht daran, ein Zweipfennigstück aus ihrem Handschuh zu nehmen.
    „Na?“, fragte Hein.
    Tilla sagte: „Du kennst mich doch, Hein.“
    „Bist du nicht die Älteste von Meurers Franz?“
    „Ja“,

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