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Als Oma noch mit Kohlen heizte

Als Oma noch mit Kohlen heizte

Titel: Als Oma noch mit Kohlen heizte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willi Faehrmann
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seinem Knecht auch Wohnung und Nahrung stellte, dann war das gar nicht so falsch, was der Hein da sagte.
    Auch am vierten Tag riss der Strom der Menschen nicht ab, der über die Brücke ging. Die König-Brauerei aus dem nahen Beeck fuhr mit einem Flachwagen heran, der von zwei schweren braunen Pferden gezogen wurde. Der Eisweg war gerade so breit, dass der Wagen darüberfahren konnte. Das Eis bebte, als die Pferde mit ihren großen Hufen aufstampften. Mitten auf dem Rhein luden die Bierkutscher ein Fass ab.
    „Freibier“, rief ein dicker Kutscher laut. „Ein Glas Freibier für jeden, der auf die andere Seite will. Die König-Brauerei stiftet für jeden Tag ein Fass Freibier, solange die Brücke hält.“
    Das sprach sich herum und lockte noch mehr Menschen an.
    Tilla hatte von alldem noch nichts gesehen. Sie war wohl mit Christian zu lange auf dem Deich in der Kälte geblieben. Sie schniefte und schnaufte drei Tage lang. Zur Schule musste sie zwar gehen; denn Lehrer Pannbeckers sagte, zur Schule müsse jedes Kind kommen, notfalls mit dem Kopf unter dem Arm. Aber sonst durfte sie keinen Schritt vor das Haus.
    „Ich will doch nur einen einzigen Blick auf die Brücke werfen“, bettelte Tilla. Aber ihre Mutter sagte „nein“. Und wenn Mutter einmal „nein“ gesagt hatte, dann war jede weitere Bitte vergebens.
    So ging es am ersten Tag und auch am zweiten, und an den folgenden sah es nicht anders aus. Am vierten Tag sagte Tilla: „Mutter, ich bin fast wieder gesund. Lass mich doch heute auf einen Sprung an die Brücke.“
    Die Mutter schwieg.
    „Mutter, ich bleibe nur zehn Minuten auf dem Deich. Dann komme ich zurück ins Haus.“
    Die Mutter sagte nichts dazu.
    „Oder wenigstens fünf Minuten“, bat Tilla. „Einen Augenblick nur, Mutter. Es war doch meine Idee, das mit der Brücke.“
    Die Mutter schaute das Mädchen erstaunt an.
    „Das war deine Idee?“, fragte sie.
    „Ja, Mutter. Ich hab den Christian darauf gebracht, und der hat’s den anderen weitererzählt.“
    „Das ist etwas anderes“, sagte die Mutter. „Wenn das deine Idee war, Kind, dann ist es etwas anderes. Wer weiß, vielleicht schaden dir auch ein paar Minuten in der frischen Luft nicht.“
    Sie zog sich den Mantel an und schlug das schwarze Tuch über Kopf und Schultern. Genau schaute sie nach, ob Tilla die Wollmütze tief genug über die Ohren gestreift und den roten Schal doppelt um den Hals geschlungen hatte.
    Es war wirklich ein wunderbares Bild, das die beiden vom Damm aus sehen konnten.
    Der milchig blaue Winterhimmel, das weißgraue Eis und mitten darin viele, viele Menschen. Die Farben der Mützen und Schals leuchteten.
    Quer über den Strom zog sich ein Band von denen, die hinübergingen, und ihnen entgegen kamen diejenigen, die ans diesseitige Ufer wollten. In der Mitte der Eisbrücke hatten die Knechte einen kreisförmigen Platz angelegt. Dort quirlten Männer und Frauen umher und versuchten an das versprochene Freibier zu kommen.
    „Das war eine wirklich gute Idee von dir“, lobte die Mutter ihre älteste Tochter.
    „Die Pfeiler aber haben sie vergessen“, sagte Tilla.
    „Welche Pfeiler?“
    „Große Brücken haben am Brückenaufgang links und rechts einen Pfeiler, Mutter“, erklärte Tilla. „Das ist bei der Engelsbrücke in Rom so und sicher auch bei der Brücke in Köln. Ich habe es dem Christian genau beschrieben. Die Karlsbrücke in Prag und ...“
    „Und woher, bitte schön, sollen die Männer die Pfeiler bekommen?“, fragte die Mutter.
    Tilla zeigte mit der ausgestreckten Hand ein Stück stromabwärts.
    Dort standen vier Pferdewagen der Brauerei. Sie waren bis dicht an das Ufer gefahren. Arbeiter waren dabei, große Eisblöcke auf die Wagen zu laden. Etwas weiter im Strombett standen andere Männer mit langen Sägen und Eisenstangen und sägten aus dem Eisgebirge Blöcke heraus.
    „Sie schaffen das Eis in den tiefsten Brauereikeller“, sagte die Mutter. „Das machen sie jeden Winter. Im Sommer wird das Bier mit dem Eis aus dem Rhein gekühlt.“
    „Ich weiß es“, sagte Tilla. „Mit solchen Blöcken kann man auch Pfeiler bauen. Wenn der Christian das gemacht hätte, Mutter, ich sag dir, die Brücke sähe aus wie die Engelsbrücke in Rom. Ich hab es in Lehrer Pannbeckers’ Buch selbst gesehen.“
    „Lehrer Pannbeckers’ Bücher, die verdrehen dir noch völlig den Kopf“, seufzte die Mutter. „Aber nun schnell nach Hause. Sonst liegst du morgen wieder krank auf der Nase.“
    „Morgen bin ich

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