Also sprach Zarathustra
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- also dass eine edle Schale mit edler Zierath fürbitten muss. Aber auch diese Kunst muss man lernen: Schale haben und schönen Schein und kluge Blindheit!
Abermals trügt über Manches am Menschen, dass manche Schale gering und traurig und zu sehr Schale ist. Viel verborgene Güte und Kraft wird nie errathen; die köstlichsten Leckerbissen finden keine Schmecker!
Die Frauen wissen das, die köstlichsten: ein Wenig fetter, ein Wenig magerer - oh wie viel Schicksal liegt in so Wenigem!
Der Mensch ist schwer zu entdecken und sich selber noch am schwersten; oft lügt der Geist über die Seele. Also schafft es der Geist der Schwere.
Der aber hat sich selber entdeckt, welcher spricht: Das ist mein Gutes und Böses: damit hat er den Maulwurf und Zwerg stumm gemacht, welcher spricht "Allen gut, Allen bös."
Wahrlich, ich mag auch Solche nicht, denen jegliches Ding gut und diese Welt gar die beste heisst. Solche nenne ich die Allgenügsamen.
Allgenügsamkeit, die Alles zu schmecken weiss: das ist nicht der beste Geschmack! Ich ehre die widerspänstigen wählerischen Zungen und Mägen, welche "Ich" und "Ja" und "Nein" sagen lernten.
Alles aber kauen und verdauen - das ist eine rechte Schweine-Art! Immer I-a sagen - das lernte allein der Esel, und wer seines Geistes ist! -
Das tiefe Gelb und das heisse Roth: so will es mein Geschmack, - der mischt Blut zu allen Farben. Wer aber sein Haus weiss tüncht, der verräth mir eine weissgetünchte Seele.
In Mumien verliebt die Einen, die Andern in Gespenster; und Beide gleich feind allem Fleisch und Blute - oh wie gehen Beide mir wider den Geschmack! Denn ich liebe Blut.
Und dort will ich nicht wohnen und weilen, wo Jedermann spuckt und speit: das ist nun mein Geschmack, - lieber noch lebte ich unter Dieben und Meineidigen. Niemand trägt Gold im Munde.
Widriger aber sind mir noch alle Speichellecker; und das widrigste Thier von Mensch, das ich fand, das taufte ich Schmarotzer: das wollte nicht lieben und doch von Liebe leben.
Unselig heisse ich Alle, die nur Eine Wahl haben: böse Thiere zu werden oder böse Thierbändiger: bei Solchen würde ich mir keine Hütten bauen.
Unselig heisse ich auch Die, welche immer warten müssen, - die gehen mir wider den Geschmack: alle die Zöllner und Krämer und Könige und andren Länder- und Ladenhüter.
Wahrlich, ich lernte das Warten auch und von Grund aus,
- aber nur das Warten auf mich . Und über Allem lernte ich stehn und gehn und laufen und springen und klettern und tanzen.
Das ist aber meine Lehre: wer einst fliegen lernen will, der muss erst stehn und gehn und laufen und klettern und tanzen lernen: - man erfliegt das Fliegen nicht!
Mit Strickleitern lernte ich manches Fenster erklettern, mit hurtigen Beinen klomm ich auf hohe Masten: auf hohen Masten der Erkenntniss sitzen dünkte mich keine geringe Seligkeit, -
- gleich kleinen Flammen flackern auf hohen Masten: ein kleines Licht zwar, aber doch ein grosser Trost für verschlagene Schiffer und Schiffbrüchige! -
Auf vielerlei Weg und Weise kam ich zu meiner Wahrheit; nicht auf Einer Leiter stieg ich zur Höhe, wo mein Auge in meine Ferne schweift.
Und ungern nur fragte ich stets nach Wegen, - das gieng mir immer wider den Geschmack! Lieber fragte und versuchte ich die Wege selber.
Ein Versuchen und Fragen war all mein Gehen: - und wahrlich, auch antworten muss man lernen auf solches Fragen! Das aber - ist mein Geschmack:
- kein guter, kein schlechter, aber mein Geschmack, dessen ich weder Scham noch Hehl mehr habe.
"Das - ist nun mein Weg, - wo ist der eure?" so antwortete ich Denen, welche mich "nach dem Wege" fragten. Den Weg nämlich - den giebt es nicht!
Also sprach Zarathustra.
Von alten und neuen Tafeln
1.
Hier sitze ich und warte, alte zerbrochene Tafeln um mich und auch neue halb beschriebene Tafeln. Wann kommt meine Stunde?
- die Stunde meines Niederganges, Unterganges: denn noch Ein Mal will ich zu den Menschen gehn.
Dess warte ich nun: denn erst müssen mir die Zeichen kommen, dass es meine Stunde sei, - nämlich der lachende Löwe mit dem Taubenschwarme.
Inzwischen rede ich als Einer, der Zeit hat, zu mir selber. Niemand erzählt mir Neues: so erzähle ich mir mich selber. -
2.
Als ich zu den Menschen kam, da fand ich sie sitzen auf einem alten Dünkel: Alle dünkten sich lange schon zu wissen, was dem Menschen gut und böse sei.
Eine alte müde Sache dünkte ihnen alles Reden von Tugend; und wer gut schlafen wollte, der sprach vor
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