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Alta moda

Alta moda

Titel: Alta moda Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magdalen Nabb
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keine Menschenseele sie daran hinderte, sich mit Gewehrschüssen zu verständigen. Das Blut, das von meiner Schläfe rann, stammte von dem Schlag, den er mir versetzt hatte, wahrscheinlich mit einem Pistolenknauf. »Los, vorwärts.« Der Alptraum ging weiter.
    Von da an wurde das Gelände immer unwegsamer. Lange Zeit zwängten wir uns durch dichtes Dornengestrüpp, und ich hörte, wie der Rucksack mit einer Art Buschmesser sich eine Bahn schlug, wohl die einzige Möglichkeit, überhaupt weiterzukommen. Das letzte Wegstück war das allerschlimmste, ein offenbar völlig undurchdringliches Dickicht, in das man jedoch schon vorab eine niedrige Tunnelschneise geschlagen hatte. Durch die mußten wir stundenlang auf allen vieren kriechen, und mir brannten Beine und Rücken von der ungewohnten Anstrengung. Dornenranken ritzten Wunden in Kopfhaut und Gesicht, Hände und Knie, und ein stacheliger Zweig bohrte sich so tief in meinen Handballen, daß er steckenblieb und ich nicht weiterkonnte.
    »Bitte warten Sie, ich kann so nicht…«
    »Klappe! Vorwärts!« Der Befehl kam wie immer im Flüsterton. Aus Furcht, wie mir schien, aber wieso? Erst feuern sie Gewehrschüsse ab, dann flüstern sie. Was hätten sie in dieser Einöde wohl zu befürchten? Es gelang mir, mich von dem Zweig loszureißen, doch der Dorn blieb im Fleisch stecken. Wir krochen weiter. Nicht lange danach spürte ich, wie der Rucksack sich vor mir aufrichtete. Offenbar waren wir auf einer Lichtung angekommen. Schießprügel schubste mich vorwärts, ein fremdes Paar Hände zog mich hoch, fesselte mich mit einer Kette und drückte mich, den Rücken gegen einen Baumstamm gelehnt, zu Boden. Ich spürte, wie sich die Kette straffte, als der Fremde das freie Ende um den Baum wickelte. Nicht nur seine Hände waren mir fremd, auch sein Geruch: die schale, talgige Ausdünstung eines Metzgerladens. Dieser Geruch ist mit ein Grund dafür, daß ich kein Fleisch esse. Knirschende Schritte, die sich entfernten. Ich saß mäuschenstill und lauschte angespannt. Da ich nichts sehen und nicht einmal mehr tasten konnte, konzentrierte ich mich ganz und gar auf mein Gehör. Anfangs hörte ich nur gedämpftes Gemurmel. Wahrscheinlich wollten sie nicht, daß ich etwas mitbekam, aber dann entbrannte unversehens ein Streit, und ich konnte einen sardinischen Zungenschlag heraushören. Ich verstand zwar nicht, worum es ging, aber was Schießprügel und Rucksack betraf, so hatte ich offenbar richtig geraten: Die beiden fürchteten sich vor denen, die sie hier erwartet hatten. Nach einem erbitterten Wortwechsel raschelte und knackte es so heftig hinter mir im Gestrüpp, als ob jemand eilends das Weite suchte. Wie ich später erfuhr, hatten Schießprügel und Rucksack den Rückweg angetreten.
    Jemand kam und löste meine Fesseln. Ich wollte mir gerade die schmerzenden Handgelenke massieren, als die Kette auch schon um meinen Fuß geschlungen und strammgezogen wurde. Ich hörte das Vorhängeschloß einschnappen, und eine Stimme flüsterte: »Nach rechts drehen und runter auf alle viere.«
    Inzwischen hatte ich gelernt, rasch zu gehorchen, um Schlägen zuvorzukommen. Also erhob ich auch jetzt keine Einwände, obwohl meine Hände und Knie von dem stundenlangen Kriechen durch das Dornengestrüpp teuflisch brannten. Schließlich hatte ich es mit neuen Gegnern zu tun, die womöglich noch gewalttätiger waren als die anderen.
    »Und jetzt beweg dich. Vor dir steht ein Zelt. Kriech da rein und leg dich hin. Aber nicht an der Zeltstange abstützen, sonst kracht das ganze Ding ein.« All das im Flüsterton – aber anders als Rucksack und Schießprügel flüsterte der hier nicht aus Angst, sondern nur um seine Stimme zu verstellen. Wut stieg in mir hoch. Wie konnte er mich für so dumm halten, mich an einer Zeltstange abzustützen! Aber dann stieß ich aus Versehen dagegen, während ich den Boden vor mir abtastete, und er versetzte mir von hinten einen brutalen Fußtritt. Er trug wohl besonders schwere Stiefel, denn der Schmerz, der meine ohnehin arg malträtierten Steißmuskeln durchfuhr, war unerträglich. Trotzdem weinte ich nicht deswegen, sondern weil ich mich ungerecht behandelt fühlte. Im Nu brannten meine Augen so höllisch, daß ich keuchend nach Luft rang. Wie hatte ich nur die Warnung von heute morgen vergessen können! Ich versuchte, die Tränen hinunterzuschlucken und meine Kränkung in Zorn umzuwandeln. Ich war nicht absichtlich an die Zeltstange gestoßen. Es war nicht meine Schuld.

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