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Alta moda

Alta moda

Titel: Alta moda Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magdalen Nabb
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fürchtete ich mich. Vor dem Gestank des eigenen Stuhls und davor, wegen irgendeiner unabsichtlichen Verfehlung erneut bestraft zu werden. Zum Glück war reichlich Klopapier vorhanden. Hätte ich doch nur in dem Moment an das Hühnerfleisch gedacht… »Fertig?«
    »Ja.«
    »Dann raus damit.«
    Ich bedeckte den Kot mit einer Extralage sauberen Papiers und schob die Bettpfanne nach draußen. Dann verharrte ich ängstlich und angespannt, wartete auf Gelächter, Kommentare, Züchtigung. Doch eine Weile blieb alles ruhig, und dann kam die Bettpfanne wieder hereingeschlittert. Sie war sauber und roch nach Haushaltsreiniger.
    Der Reißverschluß ging hoch, und in der Öffnung erschien ein schwarzvermummter Kopf.
    »Komm her. Aber duck dich.«
    Zaghaft, mit eingezogenem Kopf, rutschte ich vorwärts, angstbebend auf neuerliche Schläge gefaßt. Statt dessen kam jemand zu mir ins Zelt gekrochen. Er muß eher schmächtig gewesen sein, denn ich brauchte kaum zu rücken, um ihm Platz zu machen. Wieder ein neuer Geruch, ölig diesmal. Ob das seine Haare waren? Die Hand, die mein Gesicht berührte, war klein, mit knochigen Fingern und harten, scharfen Nägeln. Wie ein Fuchs. Er zog mir eine Strumpfmaske über den Kopf, aber verkehrt herum, so daß ich keine Schlitze vor den Augen hatte. Und obwohl er sie vorn hochrollte, so daß ich den Mund frei bekam, stank die kratzige Wolle entsetzlich, und die langen Flusen drangen mir piksend in die Nase.
    »Bitte… meine Nase, bitte! Ich ersticke, wenn ich nicht durch die Nase atmen kann.«
    »Klappe!« Damit kroch er wieder hinaus.
    »Komm nach vorn.« Eine andere Stimme. Ich schob mich vorwärts. »Festhalten. Aber Vorsicht. Wenn du das verschüttest, gibt’s nichts mehr.« Er nahm meine Hände und bog die Finger der rechten, die mit dem Fuß zusammengekettet war, um einen großen Blechnapf. In die linke drückte er mir einen Löffel und lenkte die Hand, bis der Löffel in den Napf eintauchte.
    »Das ist Milchkaffee mit eingebrocktem Brot.« Ich wollte die Brotstückchen herausfischen, aber da ich nichts sehen konnte, mußte er mir die Hand führen. Die seine war groß und warm, und als er mir den Löffel an die Lippen hielt, schlug mir ein angenehmer Geruch entgegen; der Duft von frisch geschlagenem Holz. Vielleicht hatte er mit einer Axt oder einem Buschmesser die kleine Lichtung draußen ausgeholzt. Vielleicht war er auch Holzfäller von Beruf.
    »Mach schnell, wir haben noch viel zu tun.« Er löffelte mir die warmen, matschigen Brocken so rasch in den Mund, daß ich mit dem Schlucken kaum nachkam. Ob wir unsere Babys auch so hastig füttern, wenn wir in Eile sind, weil wir das Haus aufräumen wollen, zur Arbeit müssen oder ans Telefon oder zur Toilette? Trichtern wir ihnen den Brei so lange mechanisch und im Schnelltempo ein, bis sie sich zur Wehr setzen, ihn wieder ausspucken, nach dem Löffel schlagen? Ich nahm mir keine solchen Freiheiten heraus. Hunger hatte ich zwar nicht, aber die eingeweichten Brotstückchen brachte ich trotzdem ohne Mühe hinunter. Also versuchte ich, mit seinem Tempo Schritt zu halten, bis er mir endlich den Napf an die Lippen setzte, damit ich die restliche Milch austrinken konnte.
    »Geh wieder rein und wisch dir den Mund ab. Die Maske kannst du drinnen abnehmen.« Der Reißverschluß ging hinter mir zu.
    Heilfroh, die stinkende Maske los zu sein, schneuzte ich mich kräftig, um meine Nase von den Wollflusen zu reinigen. Dann hieß es wieder warten; ich lauschte auf das geschäftige Treiben draußen, auf die gedämpften Stimmen.
    Der Reißverschluß ging hoch. Ich erkannte den Metzger auf Anhieb am Geruch und erstarrte vor Angst.
    »Rutsch rüber. Ich brauch was aus der Ecke.« Schaudernd wich ich vor der schwarzen Strumpfmaske zurück, als er an mir vorbeikroch und unter den Beständen an der Rückwand des Zeltes eine blaue Plastiktasche hervorkramte. Schon im Begriff, rückwärts zum Ausgang zurückzurobben, stockte er plötzlich. Mein Herz pochte wie rasend, als ich sah, worauf sein Blick fiel. Ich war wohl mit dem Stück Brot in der Hand eingeschlafen, und nun lagen Krumen und Brösel auf meinem Schlafsack und dem Zeltboden verstreut. Der Metzger ließ die Plastiktasche fallen, sein schwarzvermummter Kopf kam drohend näher. Ich konnte mich nirgends verstecken, hatte nichts anderes zu meiner Verteidigung als die eine freie Hand, die ich mir schützend vors Gesicht hielt.
    »Schlampe, dreckige! Dreckiges Luder!« Jeden Fluch unterstrich er mit einem

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