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Alte Liebe: Roman

Alte Liebe: Roman

Titel: Alte Liebe: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Heidenreich , Bernd Schroeder
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man sich darauf eingelassen hat, hat man keine Wahl mehr. Vernachlässigt man den Garten, bestraft er einen. An Urlaub, an diese Reisen, die Lore so gerne machen würde, darf ich nicht denken. Heidi bietet sich zwar an, zu gießen. Aber sie hat auch keine Ahnung.
    Nun habe ich diesen Garten in der heutigen Form fast fünfzehn Jahre. Wenn ich ehrlich bin, dann muss ich sagen, es wird mir manchmal zu viel. Das Kreuz schmerzt, die Knie auch, war ich früher tagelang im Garten, so bin ich heute nach ein, zwei Stunden müde. Schon denke ich an Vereinfachung. Wieder Sträucher pflanzen, einen Teil hinter dem Haus brachliegen lassen, das wäre es, aber noch kann ich es nicht. Und was ist mit dem Garten, wenn ich sterbe? Werde ich dann zu einem knorzigen alten Baum, werde ich Wurzeln schlagen im Garten? Liebe ich meinen Garten mehr als Lore? Fragen über Fragen, die ich mir stelle und nie beantworte.

    *

    »Übrigens, Lore, stell dir vor: Die Ritterspornsorten ›Amorspeer‹, ›Lanzenträger‹, ›Tempelgong‹, ›Schloss Wilhelmshöhe‹, ›Jubelrufe‹ und ›Gletscherwasser‹ sind nach dem Winter alle wiedergekommen, der ›Völkerfrieden‹ nicht. Soll ich das als ein Zeichen nehmen, dass der Völkerfrieden keinen Winter überdauert?«
    »Vielleicht.«
    »Der Lanzenträger ist robuster als der Völkerfrieden. Na klar!«
    »Ach, Harry, ich wollte, du würdest weniger in diesem Garten herumpritzeln –«
    »– ich pritzle nicht herum –«
    »– und dich mehr mit Kultur befassen.«
    »Garten ist Kultur. Die Literatur ist voll davon, das musst du doch am besten wissen.«
    »Ja. Vita Sackville-West. Sie hat wunderbar über ihre Gärten geschrieben.«
    »Und glaubst du, dass sie auf Sissinghurst-Castle eigenhändig das Unkraut aus den Ritzen der Wege gezupft hat?«
    »Natürlich nicht. Sie hatte Gärtner.«
    »Und ich habe keine Gärtner. Auch keine Gartenhilfe.«
    »Wozu auch. So groß –«
    »Dafür habe ich diesen Hochdruckreiniger.«
    »Peinlich genug.«
    »Hör auf, Lore! Ich habe keinen Rasenmäher, keinen Schredder, keinen Laubsauger – nur diesen Hochdruckreiniger. Er erspart mir viele Stunden Bücken und Zupfen und Schrubben und was weiß ich. Auf Sissinghurst hat ein Heer von Bediensteten diese Arbeit getan.«
    »Das ist doch nicht vergleichbar.«
    »Doch. Wenn ich mir eine Arbeitskraft anmiete, was du immer vorschlägst –«
    »Ich denke eben, dass es dir zu viel ist, ich –«
    »– eine solche Kraft kostet mich am Tag so viel, wie dieser Hochdruckreiniger gekostet hat – wenn sie es schwarz macht. Und zu Vitas Zeiten hätte man sich für das Geld vermutlich eine Hilfskraft für ein halbes Jahr mieten können.«
    »Und wenn man das Unkraut in den Ritzen lässt?«
    »Dann sagst du irgendwann, dass es unordentlich aussieht, und ich beklage, dass es ausblüht und in den Staudenbeeten neu sprießt.«
    »Wer sagt eigentlich, was als Unkraut zu verstehen ist?«
    »Der, der pflanzt, hegt, seinen Garten nach seinen Vorstellungen anlegt. Was ihm nicht willkommen ist, weil er es nicht selbst gepflanzt hat, nennt er Unkraut.«
    »Ich liebe diese Wörter mit Un. Treu – untreu, Kraut – Unkraut.«
    »Hold – Unhold.«
    »Recht – Unrecht.«
    »Zucht – Unzucht.«
    »Geziefer – Ungeziefer.«
    »Geziefer ist schön. Steht das im Duden?«
    »Glaube ich nicht.«
    »Mit dem Unkraut ist es wie mit den Gastarbeitern.«
    »Was soll das denn jetzt?«
    »Als die Gastarbeiter diskriminiert waren, suchte man neue Begriffe und landete irgendwann beim Mitbürger mit Migrationshintergrund. Als die Umweltbewegung nicht mehr von Unkraut reden wollte, sprach sie von Wildkräutern, Begleitwuchs, Beikräutern und Kulturpflanzenbegleitern.«
    »Dann ist dein Hochdruckdingens also ein Kulturpflanzenbegleitervernichtungsapparat.«
    »Wenn du das so nennen willst, nenne es so.«
    »Ach, Harry, mir ist das hier manchmal alles zu viel. Und wenn ich dich ständig schuften sehe, dann denke ich oft, warum verkaufen wir das nicht alles und nehmen uns eine nette Dreizimmerwohnung mit Balkon.«
    »Das ist nicht dein Ernst?!«
    »Wir werden nicht jünger, Harry.«
    »Daran ändert eine Dreizimmerwohnung mit Balkon auch nichts.«
    »Vielleicht findet man was mit Terrasse.«
    »Oder mit Garten.«
    »Ja, zwei kleine Beete vielleicht.«
    »Lore, bitte hör auf! Sag, dass das nicht dein Ernst ist.«
    »Was ist schon mein Ernst.«

23 LORE

    Mit wie viel Unfug man sich beschäftigt. Wie viel Sinnloses man tut. Wie das Leben weitergeht und es

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