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Alte Liebe: Roman

Alte Liebe: Roman

Titel: Alte Liebe: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Heidenreich , Bernd Schroeder
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sie sich auf. Was hat sie über die Anschaffung dieses Hochdruckreinigers gelästert. Und jetzt ist sie glücklich, dass es vor dem Haus so adrett aussieht, und empfiehlt ihren Freundinnen das Gerät. Typisch Lore. Einerseits liebt sie Ordnung über alles, andererseits hat sie unbändige Angst davor, spießig zu sein oder alte Werte aus unseren jungen Jahren zu verraten. Die Ordnungswut hat sie von ihrer Mutter. Die hielt es mit ›außen hui, innen pfui‹. Einmal, als sie umzog und wir alles organisierten, hat sie die scheußlichen Flecken auf dem Küchentisch beklagt, die uns wegen der immer daraufliegenden Wachstuchdecke nie aufgefallen waren. Sie fragte mich, was man da machen könnte, dass das nicht so schäbig aussieht. Schäbig – sie sprach es mit zwei b und ch wie schäbbich – war eines ihrer Lieblingswörter. Ich schlug ihr vor, die Platte abzuschleifen und neu zu streichen, aber sinnvoll sei das erst nach dem Umzug, also in der neuen Wohnung. Dann sei es ja nicht mehr nötig, so Leni, weil ja die Tischdecke wieder draufkäme. Ich verstand erst nach einiger Zeit, dass es nur darum ging, dass die Hausbewohner sich während des Umzugs über den ›schäbbichen‹ Tisch mokieren könnten.
    Lore ist natürlich nicht wie Leni. Aber ihre Ambivalenz gegenüber den Dingen bestimmt auch ihr Verhältnis zum Garten, den sie ›unseren‹ nennt, wenn sie stolz auf ihn ist, und ›meinen‹, wenn sie kritisiert oder lästert. ›Du mit deinem Garten!‹
    Wir haben alle Phasen und Diskussionen um diesen Garten durch. Von Lores Vorschlag, doch einfach alles verwildern zu lassen, bis zu meiner Drohung, alles zu betonieren. Als wir vor dreißig Jahren das Haus kauften, war der Garten eine große Wiese mit einer Ligusterhecke drum herum. Es blühte außer Löwenzahn nichts, und unter der Hecke hatte sich der Giersch breitgemacht. Die Wiese war kein gepflegter Rasen, denn die drei Hunde des Vorbesitzers hatten ganze Arbeit geleistet. Lore signalisierte von Anfang an, dass sie sich mit Gartenarbeit nicht beschäftigen würde, und ich hatte keine Zeit und keine Ahnung. Also blieb die Wiese jahrelang eine Stoppelwiese, auf der ein Sandkasten und eine Schaukel für Gloria standen. Der Hausmeister des Bauamtes kam ab und zu vorbei und mähte und nahm das Gras mit. Als Gloria nach Indien ging und der Spielplatz verwaist war, bot sich mein Vater an, den Garten zu gestalten. Lore war dagegen. Sie verachtete die Schrebergärtner, was ich gut verstand, denn so wie deren Gärten sollte unserer nicht aussehen.
    Eines Tages fuhren wir wieder einmal nach Holland ans Meer und lernten dort ein Ehepaar kennen, Lenneke, Bildhauerin, eine wunderbare Künstlerin, und Pieter, Ingenieur, schon pensioniert. Die beiden hatten – haben immer noch – den schönsten Garten, den ich kenne. Ich konnte mich nicht sattsehen, und auch Lore war überwältigt. Von Lenneke begann ich zu lernen. Wir benutzten die lateinischen Bezeichnungen für die Pflanzen und konnten uns immer besser verständigen.
    Jetzt war es um mich geschehen. Jede freie Minute hab ich im Garten zugebracht. Bei Wind und Wetter war ich draußen. Ich riss den Liguster raus, pflanzte Eiben als dunklen Hintergrund für ein großes Staudenbeet, dem die Wiese weichen musste. In den Gärtnereien der Umgebung kannte man mich bald als neugierigen Besucher und guten Kunden. Aconitum, Delphinum, Helenium, Dicentra, Rudbekia, Heliopsis wurden mein Reich. Bald blühte es zu fast allen Jahreszeiten. Christstern und Tränendes Herz, Lilien und Rittersporn, Mohn und Pfingstrosen, Astern und Chrysanthemen, Eisenhut und Cosmeen, Männertreu und Jungfer im Grünen, und dazwischen wechselten sich Exoten aller Art ab. Lore, die anfangs außer sich war und bereits mit Scheidung drohte, beruhigte sich, vielleicht auch wegen der Tatsache, dass ich fast gar nicht mehr in Kneipen ging, und weil sie doch nicht leugnen konnte, dass der Garten langsam dem unserer holländischen Freunde glich.
    Was das für eine Leidenschaft ist, die aus Neugier entsteht, kann ich Lore nicht erklären. Was ihr die Bücher sind, sind mir meine Pflanzen. Ich kenne sie alle, weiß, was sie wollen, Sonne, Halbschatten oder Schatten, mehr trockenen oder nassen Boden, welche Nachbarschaft sie bevorzugen und welchen Dünger. Und ich bange mit ihnen, ob sie so harte Winter wie den letzten mit einigen Tagen um 20 Grad minus überstehen. Dass das alles unendlich viel Arbeit ist, hatte ich mir anfangs selbst nicht vorgestellt. Aber wenn

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