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Alte Liebe: Roman

Alte Liebe: Roman

Titel: Alte Liebe: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Heidenreich , Bernd Schroeder
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Problem.
    In der Zeit, als ich mich widerwillig täglich ins Amt schleppte und mit meinen zertrümmerten Träumen rang, kam Lore in die Wechseljahre. Langsam schlichen sie sich in unser Leben und bestimmten es weitgehend. Lore litt sehr, vor allem unter den Hitzewellen. Ich las alles, was ich zum Thema Klimakterium bekommen konnte, die Frauenzeitschriften waren ja voll davon. Von älteren Freunden und Bekannten wusste ich, dass diese Jahre geeignet sind, Ehen zu zerstören. Ede und Sylvia zum Beispiel kamen über die Zeit nicht hinweg. Sie trennten sich, und Ede hatte ganz schnell eine Jüngere. Das wollte ich aber nicht. Ich wollte verstehen, was mit Lore vor sich ging. Ich gewöhnte mir an zu sagen: Wir sind in den Wechseljahren.
    Lore und ich hatten die Verklemmungen unserer Eltern abgelegt, und unsere ersten Jahre waren wilde Jahre. Später beruhigte es sich, aber wir hatten zumindest ein so gutes Sexualleben, dass ich Ede und andere um ihre jugendlichen Eroberungen nie beneidet habe. Es ging uns gut miteinander, Lore und mir. Mit unseren Wechseljahren hat sich viel geändert. Zwar waren wir nie einer Trennung nahe, aber unsere Beziehung musste einige Irritationen erdulden. Wir stritten öfter, waren seltener derselben Meinung, gingen oft eigene Wege, hatten unterschiedliche Interessen. Außer den gelegentlichen Wochenenden in Holland am Meer machten wir keinen Urlaub, verreisten nur selten. Wir empfanden – empfinden, muss ich sagen – keine Leidenschaft mehr füreinander. Wir gehen zwar liebevoll miteinander um, aber der Alltag frisst eben doch Gefühle auf.
    Für mich war der Tag meiner Pensionierung die Befreiung aus einem Leben, das ich über weite Strecken nicht gemocht habe. Jetzt bin ich Rentner, gesund, kann über meine Tage verfügen, genieße die viele Zeit, die ich plötzlich habe, vor allem für meinen Garten und ein paar alte Freundschaften, die ich über die Jahre vernachlässigt hatte. Lore arbeitet noch, kann nicht aufhören, hat Angst vor dem Tag, an dem sie nicht mehr in die Bibliothek geht, nicht mehr wichtig ist und nicht mehr gebraucht wird, weil es auch ohne sie geht. Ich habe die Hoffnung, dass sich das ändert, wenn sie auch merkt, was man jenseits des Berufslebens alles tun kann. Sicher, im Gegensatz zu mir hat sie ihren Beruf geliebt – liebt ihn immer noch.
    Vielleicht werden wir, wenn Lore pensioniert ist, ja doch mal reisen. Sie ist ein unruhiger Geist. Sie wird nicht wie ich zu Hause sitzen – trotz der vielen Bücher, die sie im Alter noch lesen möchte. Gestern machte Lore plötzlich den Vorschlag, wir sollten uns beide in der Stadt einkleiden – für die Hochzeit. Der Gedanke, wieder mal mit Lore durch die Stadt zu ziehen, wie wir das früher so gern gemacht haben, war verlockend.
    Es war ein Freitag. Wir fuhren in die Innenstadt, gingen durch die Fußgängerzone und ein paar Bekleidungshäuser und schätzten uns glücklich, das alles nicht zu brauchen. Lore wollte sich ein Kleid kaufen, sommerlich, leicht, geblümt, ein bisschen altmodisch sollte es sein, wie die Kleider, die sie vor dreißig Jahren auf Flohmärkten gekauft und Omakleider genannt hat. Nichts passte ihr, alles schien für diese mageren Models geschnitten zu sein. Schon war sie frustriert, wollte aufgeben, so schnell wie möglich nach Hause fahren. Doch in einer kleinen Boutique fanden wir ihr Wunschkleid. Sie sah hinreißend darin aus, sie war glücklich. Ich bekam einen Anzug, dessen Wahl ziemlich unkompliziert war. Der erste passte. Sitzt, passt, hat Luft, sagte ich nach Handwerkerart. Das wird vielleicht der letzte Anzug meines Lebens sein, dachte ich.
    Als wir zu Hause waren, waren wir in so guter Stimmung, dass wir beschlossen, übers Wochenende nach Holland ans Meer zu fahren. Lore hatte Montag und Dienstag frei, es würde sich also rentieren. Das Auto war gepackt, ich goss noch den Garten, im Haus klingelte das Telefon, Lore ging dran. Es war die völlig aufgelöste Rita, die berichtete, dass Theo am Morgen einen Autounfall hatte. Mit überhöhter Geschwindigkeit ist er auf der Autobahn frontal an einen Brückenpfeiler geprallt, er war sofort tot. Eine Stunde davor hat er die Diagnose umfangreicher Untersuchungen bekommen: Bauchspeicheldrüsenkrebs.

    *

    »Glaubst du, dass es ein Selbstmord war?«
    »Das war auch mein erster Gedanke.«
    »So gesehen ja eine Erlösung für ihn.«
    »Immer der Tod als Erlösung.«
    »Waren wir ungerecht mit ihm – mit unserer Ablehnung, meine ich – und unserer

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