Alte Meister: Komödie (German Edition)
der Woche für zwei oder höchstens für zweieinhalb Stunden in seinen Sonntagsanzug, um in die Kirche zu gehen, die übrige Zeit hat er den Schlosseranzug als Arbeitsanzug an, sagt Reger, lebenslänglich. Der Burgenländer arbeitet die ganze Woche im Schlosseranzug, schläft ausgesprochen wenig, aber gut und geht an Sonn- und Feiertagen im Sonntagsanzug in die Kirche, um dem Herrgott ein Lied zu singen, und um gleich darauf wieder den Sonntagsanzug aus- und den Schlosseranzug anzuziehen. Der Burgenländer ist auch in der heutigen Industriegesellschaft noch ein ausgesprochener Bauer, auch wenn der Burgenländer schon seit Jahrzehnten in die Fabrik arbeiten geht, ist er doch der Bauer geblieben, der seine Vorfahren waren, der Burgenländer wird immer ein Bauer sein, sagte Reger. Irrsigler ist schon so lange in Wien und ist doch ein Bauer geblieben, so Reger. Dem Bauern hat die Uniform, gleich welche, übrigens immer gepaßt, sagte Reger. Der Bauer ist entweder Bauer, oder in die Uniform geschlüpft, sagte Reger. Waren mehrere Kinder da, so ist einer Bauer geworden und Bauer geblieben und die übrigen sind in die staatliche oder in die christlich-katholische Uniform geschlüpft, das ist immer so gewesen, so Reger. Ein Burgenländer ist entweder Bauer, oder er schlüpft in eine Uniform, kann er weder Bauer sein, noch in eine Uniform hineinschlüpfen, geht er unweigerlich zugrunde, so Reger. Das Bauerntum ist seit Jahrhunderten, wenn aus dem Bauerntum heraus, in die Uniform geflüchtet, sagte Reger. Irrsigler habe, seiner eigenen Meinung zufolge, Glück gehabt, denn die Anstellung als staatsbeamteter Aufseher im Kunsthistorischen Museum wird nur alle paar Jahre einmal vergeben, nämlich nur dann, wenn einer der Aufseher in Pension geht oder stirbt. Die Burgenländer werden gern als Aufseher in den Museen angestellt, warum, könne er, Irrsigler, nicht sagen, aber es sei eine Tatsache, der Großteil der Wiener Museumsaufseher sei aus dem Burgenland. Wahrscheinlich, soIrrsigler einmal, weil die Burgenländer als besonders ehrlich, aber auch als besonders dumm bekannt sind und als bescheiden. Weil sie, die Burgenländer, einen selbst heute noch intakten Charakter hätten. Wenn er verfolge, wie es bei der Polizei zugehe, sei er froh darüber, daß ihn die Polizei nicht angenommen habe. Er erwähnte auch, daß er einmal den Gedanken gehabt habe, in ein Kloster einzutreten, auch da werde ja die Kleidung beigestellt und heute suchten die Klöster ja Nachschub wie nie zuvor, aber als Laienbruder wäre er doch im Kloster nur ausgenützt worden von den Höhergestellten , wie er sich ausdrückte, von den Priestern, die sich in den Klösterndoch ein recht schönes Leben machen auf Kosten der ihnen vollkommen hörigen Laienbrüder . Er hätte da doch nur Holz hacken und Schweine füttern müssen und im Sommer in der brennenden Sonne die Krautköpfe aussortieren und im Winter die Klosterwege auszuschaufeln gehabt, sagte er. Die Laienbrüder in den Klöstern sind arme Würmer, so Irrsigler einmal, er habe kein armer Wurm sein wollen. Obwohl es seine Eltern gern gesehen hätten, wenn er in ein Kloster eingetreten wäre, ich hätte ja sofort eintreten können , sagte er, man habe ihn schon in Tirol erwartet. Laienbruder, das sei noch ärger als Gefangener in einer Strafanstalt, so Irrsigler. Die priesterlichen Mönche haben es schön , so er, aber die Laienbrüder seien nichts als Sklaven . In den Klöstern herrsche, so er, was die Laienbrüder betrifft, immer noch die mittelalterliche Sklaverei, die Laienbrüder haben nichts zu lachen und beim Essen bekommen sie auch nur, was übrig bleibt. Er habe nicht ausgefressenen Theologen, wie Reger sagt, Gottmißbrauchern , die in den Klöstern ihr Leben in Überfluß genießen, dienen wollen, er habe rechtzeitig nein gesagt. Reger sei mit der Familie Irrsigler einmal in den Prater gegangen, da war Regers Frau schon schwer krank gewesen. Im Umgang mit Kindern sei er, Reger, immer empfindlich gewesen, habe Kinder immer nur die kürzeste Zeit ausgehalten, er durfte nicht mitten in einem Arbeitsprozeß sein, wenn er zu Kindern ging, ein Abenteuer sei es gewesen, die Irrsiglerfamilie eines Tages auf einen Praterbesuch einzuladen, er, Reger, habe schon längere Zeit, jahrelang, wie er sich ausdrückte, das Gefühl gehabt, Irrsigler etwas zu schulden, denn tatsächlich beanspruche ich ja im Kunsthistorischen Museum etwas, das mir nicht zusteht, ich setzemich stundenlang auf die Sitzbank im Bordone-Saal
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