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Alte Meister: Komödie (German Edition)

Alte Meister: Komödie (German Edition)

Titel: Alte Meister: Komödie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Bernhard
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stand auf, er sah sich um und ging mit Irrsigler aus dem Bordone-Saal hinaus. Ich schaute auf die Uhr, es war zehn vor halb zwölf. Ein Grund, warum ich schon um halb elf ins Museum gegangen war, war ja der, tatsächlich pünktlich zu sein, denn Reger forderte nichts mehr als Pünktlichkeit, wie ich selbst auch immer nichts mehr fordere, als Pünktlichkeit, die Pünktlichkeit ist mir tatsächlich im Menschenumgang das Allerwichtigste. Ich ertrage nur die Pünktlichen, ich vertrage keinen Unpünktlichen. Die Pünktlichkeit ist ein wesentliches Merkmal Regers wie auch eines meiner wesentlichen Merkmale, habe ich eine Verabredung, so halte ich sie tatsächlichpünktlich ein, wie auch Reger alle seine Verabredungen pünktlich einhält, über die Pünktlichkeit hat er mir schon viele Vorträge gehalten, genauso über die Verläßlichkeit, Pünktlichkeit und Verläßlichkeit sind das Wichtigste eines Menschen, so Reger sehr oft. Ich kann sagen, daß ich durch und durch ein pünktlicher Mensch bin, Unpünktlichkeit ist mir immer verhaßt gewesen und ich hatte sie mir auch niemals leistenkönnen. Reger ist der pünktlichste Mensch, den ich kenne. Er ist noch nie im Leben zu spät gekommen, wenigstens nicht selbstverschuldet , wie er sagt, wie auch ich in meinem Leben, wenigstens nicht in meinem Erwachsenenleben, jemals selbstverschuldet zu spät gekommen bin, die Unpünktlichen sind die mir Widerwärtigsten, mit den Unpünktlichen habe ich nichts gemeinsam, mit den Unpünktlichen pflege ich keinen Verkehr, mit den Unpünktlichen habe ich nichts zu tun, will ich nichts zu tun haben. Die Unpünktlichkeit ist eine grobfahrlässige Eigenschaft, die ich verachte und verabscheue, die den Menschen nichts als Verwahrlosung und Unglück bringt. Die Unpünktlichkeit ist eine Krankheit, die zum Tode des Unpünktlichen führt , so Reger einmal. Reger ist aufgestanden und aus dem Bordone-Saal hinausgegangen, gerade während eine Gruppe von alten Männern, Russen, wie ich gleich feststellen habe können, angeführt von einer, wie ich ebenso schnell festgestellt hatte, ukrainischen Dolmetscherin, in den Bordone-Saal eingetreten war, an mir vorbei, und zwar so an mir vorbei, daß sie mich auf die Seite und in den Winkel gedrängt hat. Die Leute drängen sich in den Saal und stoßen einen weg und entschuldigen sich nicht einmal, dachte ich, und ich fand mich auch schon an die Wand gedrängt. Reger war aus dem Bordone-Saal hinausgegangen, nachdem ihm Irrsigler etwas ins Ohr geflüstert hatte und gleichzeitig war die russische Gruppe in den Bordone-Saal eingetreten und hatte im Bordone-Saal Aufstellung genommen und war so in den Bordone-Saal eingetreten und hatte so im Bordone-Saal Aufstellung genommen, daß ich selbst gar nicht mehr aus dem Sebastiano-Saal in den Bordone-Saal hineinschauen habe können, die russische Gruppe hatte mir den Blick in den Bordone-Saal vollkommen verstellt. Ich sah nur die Rücken der russischen Gruppe und hörte, was die ukrainische Dolmetscherin zum besten gab, sie redete, wie alle anderen Führer im Kunsthistorischen Museum Unsinn, es war nichts als das übliche üble Kunstgeschwätz, das sie indie Köpfe ihrer russischen Opfer hineinstopfte. Da sehen Sie , sagte sie, sehen Sie denMund, da, sehen Sie , sagte sie, diese weitausladenden Ohren, da, sehen Sie dieses zarte Rosa auf der Engelswange, da, sehen Sie im Hintergrundden Horizont , als ob nicht jeder auch ohne diese stupiden Bemerkungen alles das auf den Tintorettobildern gesehen hätte. Die Führer in den Museen behandeln die ihnen Anvertrauten doch immer nur als Dummköpfe, immer als die größten Dummköpfe, während sie doch niemals solche Dummköpfe sind, sie erklären ihnen vornehmlich immer das, was ja naturgemäß ganz und gar deutlich zu sehen ist und das also gar nicht erklärt zu werden braucht, aber sie erklären und erklären und zeigen und zeigen und reden und reden. Die Führer in den Museen sind nichts anderes als eitle Geschwätzmaschinen, die sie selbst so lange angestellt haben, solange sie eine Gruppe durch das Museum führen, diese Geschwätzmaschine redet immer dasselbe jahraus, jahrein. Die Museumsführer sind nichts anderes als eitle Kunstschwätzer, die von der Kunst nicht die geringste Ahnung haben, die die Kunst auf ihre widerwärtige Geschwätzweise skrupellos ausnützen. Die Führer in den Museen schnarren das ganze Jahr über ihr Kunstgeschwätz ab und kassieren dafür einen Haufen Geld. Ich war von der russischen Gruppe in den

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