Alter Adel rostet nicht
auswirkt.«
»Sie meinen, ich sollte mich in den Frack stürzen? Spode sagte, Smoking sei ausreichend.«
»Ich denke, daß in diesem Notfall eine Abweichung von der Regel zu rechtfertigen ist, Sir.«
»Vielleicht haben Sie recht.«
Und selbstverständlich behielt er recht. In diesen subtilen psychologischen Dingen irrt er sich nie. Ich zog den Pinguin an, und sofort fühlte ich mich viel besser. Die Füße erwärmten sich, der trübe Blick hellte sich auf, und die beengte Brust weitete sich, als hätte sich jemand mit einer Fahrradpumpe daran zu schaffen gemacht. Während ich mich noch im Spiegel betrachtete, wobei ich vorsichtig an meiner Schleife herumzupfte und mir ein paar passende Worte für den Fall zurechtlegte, daß Tante Dahlia ruppig werden sollte – da ging die Tür auf, und Gussie kam herein.
Der Anblick dieses Brillenträgers versetzte mir einen Stich, denn mir war mit einem Blick klar, daß er die letzten Meldungen vom Tage noch nicht mitbekommen hatte. Er wies keins der typischen Symptome eines Mannes auf, den Stiffy in ihre Pläne eingeweiht hatte. Sein Verhalten war gelöst und heiter, und ich tauschte mit Jeeves einen kurzen, vielsagenden Blick aus. »Wenn der wüßte!« besagte mein Blick, und Jeeves’ Blick besagte ungefähr dasselbe.
»Servus!« sagte Gussie. »Ahoi! Hallo, Jeeves.«
»Guten Abend, Sir.«
»Na, Bertie, was gibt’s Neues? Hast du sie getroffen?«
Wieder war da dieser Stich. Ich seufzte stumm. Es war meine traurige Pflicht, diesem alten Freund einen erheblichen Schlag ins Kontor zu verpassen, und ich hätte mich gern davor gedrückt.
Aber da half alles nichts. Es mußte sein. Je schneller, desto besser.
»Ja«, sagte ich. »Ja, ich habe sie getroffen. Jeeves, haben wir hier etwas Brandy?«
»Nein, Sir.«
»Könnten Sie ein Gläschen besorgen?«
»Gewiß, Sir.«
»Bringen Sie lieber gleich eine ganze Flasche.«
»Sehr wohl, Sir.«
Er verflüchtigte sich, und Gussie starrte mich verständnislos an.
»Was soll das denn? Du kannst doch nicht schon vor dem Abendessen mit dem Brandy anfangen!«
»Das ist auch nicht meine Absicht. Ich benötige das Zeug für dich, du armer, vom Schicksal geprüfter Märtyrer.«
»Ich trinke nie Brandy.«
»Diesmal wirst du bestimmt welchen trinken, da wette ich mit dir. Wahrscheinlich verlangst du dann sogar nach mehr. Komm, setz dich, Gussie. Laß uns ein bißchen plaudern.«
Ich verfrachtete ihn in den Sessel und begann dann eine unverfängliche Konversation über das Wetter und die Ernte, denn ich wollte ihn nicht mit den Fakten konfrontieren, bevor der Brandy zur Hand war. So plauderte ich denn dahin und bemühte mich dabei, den Tonfall eines guten Onkel Doktors am Krankenbett zu treffen, um ihn schon ein wenig auf das Bevorstehende einzustimmen, und es dauerte nicht lange, da sah er mich fragend an.
»Bertie, ich glaube, du bist blau.«
»Überhaupt nicht.«
»Warum redest du dann so kariert?«
»Ich will uns nur die Zeit vertreiben, bis Jeeves mit dem Lebenswasser kommt. Ah, vielen Dank, Jeeves.«
Ich nahm den Schwenker aus seiner Hand entgegen und schloß dann behutsam Gussies Finger um den Stiel des Glases.
»Am besten gehen Sie zu Tante Dahlia, Jeeves, und sagen ihr, daß ich leider nicht zu unserem Stelldichein kommen kann. Das hier wird eine Weile dauern.«
»Sehr wohl, Sir.«
Dann wandte ich mich Gussie zu, der ein Gesicht machte wie ein ratloser Heilbutt.
»Gussie«, sagte ich, »trink das aus und hör mir genau zu. Ich muß dir etwas Unangenehmes sagen. Es geht um dieses Notizbuch.«
»Um das Notizbuch?«
»Ja.«
»Hat sie es etwa nicht mehr?«
»Das ist ja des Pudels Kern, auch der springende Punkt genannt. Doch, sie hat es noch, aber sie will es Papa Bassett geben.«
Ich hatte gewußt, daß ihn das aus den Socken hauen würde, und das tat es dann auch. Wie Überdruckventile an einem Dampfkessel traten seine Augen aus den Höhlen. Er sprang aus dem Sessel auf und verschüttete sein Glas, woraufhin es im Zimmer roch wie in einer Hafenspelunke am Samstagabend.
»Wa-as!«
»Tja, so stehen die Aktien. Leider.«
»Aber … au weia!«
»Genau.«
»Das darf doch nicht wahr sein!«
»Ist es aber doch.«
»Aber warum tut sie das?«
»Sie hat ihre Gründe.«
»Ihr ist wohl nicht klar, was das für Folgen hätte.«
»Doch, das ist ihr klar.«
»Es wäre mein Untergang.«
»Garantiert.«
»Ach, du armer Vater!«
Man hat schon oft festgestellt, daß die Woosters ihre besten Eigenschaften erst in
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