Alter Adel rostet nicht
Sir.«
»Kann ich mir nicht vorstellen. Wenn Ihnen nichts einfällt, wie ich aus diesem Schlamassel wieder herauskomme, dann bin ich geliefert. Aber eigentlich«, fuhr ich dann etwas zuversichtlicher fort, »haben Sie ja bisher kaum Zeit gehabt, sich so richtig mit dem Problem herumzuschlagen. Gehen Sie noch mal von allen Seiten dran, während ich zu Tisch bin. Vielleicht kommt ihnen doch noch – zack! bum! – eine plötzliche Erleuchtung. So ist das doch mit Erleuchtungen, nicht? Sie kommen einem sozusagen schlagartig.«
»Jawohl, Sir. Man sagt, der Mathematiker Archimedes habe das nach ihm benannte Prinzip des Auftriebs ganz plötzlich gefunden, als er eines Morgens im Bad saß.«
»Na, sehen Sie. Und der Mann war vermutlich gar kein so großes Licht. Verglichen mit Ihnen, meine ich.«
»Er besaß viel Talent, Sir, und man hat es allgemein tief bedauert, als er von einem einfachen Soldaten getötet wurde.«
»Sehr schade. Aber wir sind Sterbliche allzumal, nicht?«
»Gewiß, Sir.«
Nachdenklich steckte ich mir eine Zigarette an, ließ die Sache mit Archimedes vorläufig auf sich beruhen und wandte mich nochmals der finsteren Bredouille zu, in die Stiffy mich mit ihrem schamlosen Erpressungsversuch gebracht hatte.
»Wissen Sie, Jeeves«, sagte ich, »wenn man sich’s mal genau überlegt, ist es doch einfach unglaublich, was sich die Damen vom sogenannten schwachen Geschlecht alles einfallen lassen, um mich aufs Kreuz zu legen. Erinnern Sie sich noch an Miss Wickham und die Sache mit der Wärmflasche?«
»Jawohl, Sir.«
»Und an Gladys Wiehießsiedochgleich, die ihren Freund mit dem gebrochenen Bein in meiner Wohnung deponierte?«
»Jawohl, Sir.«
»Und an Pauline Stoker, die mitten in der Nacht mit nichts als einem Badeanzug bekleidet in mein Häuschen auf dem Lande eindrang?«
»Jawohl, Sir.«
»Was ist das nur für ein Geschlecht, Jeeves! Aber in puncto Hinterlist und Tücke reicht keine an Stiffy heran. Sie ist das Letzte! Ja, Jeeves?«
»Ich wollte mir nur die Frage erlauben, Sir, ob Miss Byng ihre Drohung, Mr. Fink-Nottles Notizbuch Sir Watkyn zu übergeben, nicht möglicherweise mit einem Augenzwinkern ausgesprochen hat.«
»Mit einem schelmischen Zwinkern, meinen Sie, um anzudeuten, daß sie mich nur auf den Arm nehmen wollte? Keine Spur! Nein, Jeeves. Ich habe in meinem Leben schon in so manches ungezwinkerte Auge geblickt, aber noch nie habe ich ein Augenpaar gesehen, das so völlig bar jeden Zwinkerns war wie das ihre. Sie hat nicht gespaßt. Es war ihr blutig ernst. Sie wußte ganz genau, daß das, was sie da tat, sogar für weibliche Verhältnisse äußerst perfide war, aber das war ihr piepegal. Die Emanzipation der Frauen hat eben dazu geführt, daß sie jetzt auf dem hohen Roß sitzen und sich einen feuchten Kehricht darum kümmern, was für Unheil sie bei den Männern anrichten. Zu Königin Viktorias Zeiten war das noch anders. Der Prinzgemahl hätte sich von einem Mädchen wie Stiffy nicht alles bieten lassen, stimmt’s?«
»Es ist durchaus denkbar, daß Seine Königliche Hoheit mit Miss Byng nicht einverstanden gewesen wäre.«
»Er hätte sie übers Knie gelegt und mit seinem Pantoffel versohlt, ehe sie sich’s versehen hätte. Und ich traue ihm sogar zu, daß er mit Tante Dahlia ähnlich kurzen Prozeß gemacht hätte. Apropos Tante Dahlia, ich denke, ich werde jetzt besser mal zu der alten Anverwandten hingehen.«
»Es schien ihr dringender Wunsch zu sein, bald mit Ihnen Verbindung aufzunehmen, Sir.«
»Beruht nicht auf Gegenseitigkeit, dieser Wunsch, Jeeves. Ich sage Ihnen ganz offen, daß ich diesem Plausch mit sehr gemischten Gefühlen entgegensehe.«
»Tatsächlich, Sir?«
»Ja. Sehen Sie, ich habe ihr kurz vor dem Fünf-Uhr-Tee ein Telegramm geschickt, in dem stand, daß ich das Sahnekännchen nicht mopsen werde, aber sie muß London schon verlassen haben, bevor es eintraf. Das bedeutet, daß sie einen Neffen vorzufinden erwartet, der darauf brennt, alles zu tun, was sie verlangt. Und nun muß man ihr beibringen, daß aus dem Deal nichts wird. Sie wird das nicht gern hören, Jeeves, und ich gestehe Ihnen unumwunden, daß meine Füße um so kälter werden, je länger ich über die bevorstehende Unterredung nachdenke.«
»Wenn ich mir einen Vorschlag erlauben darf, Sir – natürlich läßt sich damit nur eine lindernde Wirkung erzielen, aber in Augenblicken großer Gefahr hat es sich oft erwiesen, daß formelle Abendgarderobe sich stärkend auf die Moral
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