Alter Adel rostet nicht
den Pappelefanten.
»Jetzt kommt es vor allem darauf an«, sagte sie, »daß wir einen kühlen Kopf bewahren. Wir müssen uns überlegen, was Napoleon an unserer Stelle getan hätte. In Krisenzeiten war der doch immer dicke da. Ihm fiel stets etwas Cleveres ein. Wir sollten uns jetzt auch etwas ungeheuer Schlaues und Gerissenes ausdenken, womit wir diese Waldheinis übertölpeln können. Nun macht schon! Ich warte auf Vorschläge!«
»Mein Vorschlag ist, daß du dich auf der Stelle verziehst und diese blöde Kuh mitnimmst.«
»Damit ich auf der Treppe dem Suchtrupp in die Arme laufe? Abgelehnt. Null Punkte. Wie steht’s mit Ihnen, Jeeves? Haben Sie eine Idee?«
»Momentan leider nicht, Madam.«
»Könnten Sie nicht irgendwas aus dem Hut zaubern, womit man Sir Watkyn Bassett zur Schnecke machen könnte – irgendein finsteres Geheimnis wie im Falle Spode?«
»Nein, Madam, bedaure.«
»Na, das wäre wohl tatsächlich ein bißchen viel verlangt. Dann müssen wir das Ding eben verstecken. Aber wo? Da haben wir das uralte Problem, das schon so vielen Mördern das Leben schwergemacht hat: wohin mit dem corpus delicti. Die alte Masche aus dem ›Gestohlenen Brief‹ zieht wohl nicht mehr?«
»Mrs. Travers denkt hier an die bekannte Erzählung des verstorbenen Edgar Allan Poe, Sir«, erklärte Jeeves, als er merkte, daß ich nicht ganz folgen konnte. »Es geht darin um den Diebstahl eines wichtigen Dokuments, und die Person, die sich im Besitz dieses Papiers befand, führte die Polizei dadurch irre, daß sie es in einen Stapel gut sichtbarer Briefe legte in der Annahme, daß Dinge, die offen daliegen, häufig übersehen werden. Mrs. Travers’ Vorschlag besteht, wie ich annehme, darin, das Sahnekännchen auf dem Kaminsims zu plazieren.«
Mein Lachen war eins von der freudlosen Sorte.
»Sehen Sie sich doch mal diesen Kaminsims an! Leer gefegt wie die Prärie nach einem Sturm. Wenn man da etwas hinstellt, fällt es einem doch sofort ins Auge.«
»Das stimmt allerdings«, gab Tante Dahlia zögernd zu.
»Packen Sie das verdammte Ding in den Koffer, Jeeves.«
»Das hat doch keinen Sinn. Da sehen sie bestimmt nach.«
»Nur zu meiner Beruhigung«, sagte ich. »Ich kann es nicht mehr sehen. Hinein damit, Jeeves.«
»Sehr wohl, Sir.«
Es folgte ein Schweigen, das schließlich von Tante Dahlia mit der Frage beendet wurde, ob wir nicht die Tür verrammeln und uns auf eine längere Belagerung einrichten sollten. Im selben Augenblick hörte man draußen im Flur Schritte, die näher kamen.
»Das sind sie«, sagte ich.
»Sie scheinen’s eilig zu haben«, meinte Tante Dahlia.
Und sie hatte recht. Es waren sehr schnelle Schritte. Jeeves ging zur Tür und sah hinaus.
»Es ist Mr. Fink-Nottle, Sir.«
Gleich darauf kam Gussie mit einem Affenzahn herein.
Ein einziger Blick genügte dem kundigen Betrachter, um festzustellen, daß sein Sprint nicht der Leibesertüchtigung gedient hatte. Seine Brillengläser funkelten hektisch, und seine zerzausten Haare erinnerten mehr als nur ein bißchen an das schon erwähnte zorn’ge Stacheltier.
»Macht es dir was aus, wenn ich mich hier verstecke, bis morgen früh der erste Bummelzug fährt, Bertie?« fragte er. »Von mir aus unter dem Bett. Ich werde dich auch nicht stören.«
»Was ist denn los?«
»Die Sache mit den zusammengeknoteten Bettlaken wäre mir natürlich noch lieber.«
Ein Zischen wie von einer Dampflok unter Hochdruck ließ erkennen, daß Tante Dahlia zu einem herzlichen Empfang nicht in der Stimmung war.
»Scheren Sie sich raus, Spink-Bottle, Sie Rindvieh!« bellte sie. »Wir sind in einer wichtigen Besprechung. Bertie, wenn dir die Wünsche einer Tante auch nur das geringste bedeuten, wirst du diesen Mann im hohen Bogen hinauswerfen.«
Gebieterisch erhob ich eine Hand.
»Moment! Ich will erst genau wissen, was los ist. Laß die Finger von meinen Bettlaken, Gussie, und gib mir eine Antwort. Ist Spode wieder hinter dir her? Denn falls er …«
»Nicht Spode. Sir Watkyn.«
Tante Dahlia zischte noch einmal wie eine Dampflok-Imitatorin, die dem allgemeinen Wunsch nach einem Dakapo nachgibt.
»Bertie …!«
Gebieterisch erhob ich die andere Hand.
»Sekunde, verehrte Ahnfrau. Was heißt denn hier ›Sir Watkyn‹? Warum Sir Watkyn? Weshalb um alles in der Welt ist er dir auf den Fersen?«
»Er hat sich mein Notizbuch durchgelesen.«
»Wa-as!«
»Jawohl.«
»Bertie, ich bin nur ein schwaches Weib …«
Gebieterisch erhob ich beide Hände. Jetzt war keine
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