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Alter Adel rostet nicht

Alter Adel rostet nicht

Titel: Alter Adel rostet nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. G. Wodehouse
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Zeit, auch noch Tanten Gehör zu schenken.
    »Red weiter, Gussie«, sagte ich dumpf.
    Er setzte seine Brille ab und putzte sie mit zitternden Fingern. Man sah ihm an, daß er durch die Hölle gegangen war.
    »Nachdem ich bei dir war, ging ich zu seinem Zimmer. Die Tür war nur angelehnt, und ich schlich mich hinein. Als ich drin war, mußte ich feststellen, daß er doch nicht ins Badezimmer gegangen war. Er saß in seiner Unterwäsche auf dem Bett und las in dem Notizbuch. Dann sah er auf, und unsere Blicke begegneten sich. Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie ich erschrocken bin.«
    »Doch, kann ich. Mir ist es mal mit Hochwürden Aubrey Upjohn ganz ähnlich ergangen.«
    »Es entstand eine lange, entsetzliche Pause. Dann stieß er einen gurgelnden Laut aus und sprang mit wutverzerrtem Gesicht auf. Er kam auf mich zu. Ich machte mich aus dem Staub. Er folgte mir. Die Treppe hinunter war es ein Kopf-an-Kopf-Rennen, aber als wir die Halle durchquerten, blieb er kurz stehen, um sich eine Reitpeitsche zu holen, und dadurch habe ich einen Vorsprung gewonnen, der mich …«
    »Bertie«, sagte Tante Dahlia, »ich bin nur ein schwaches Weib, aber wenn du diese Filzlaus nicht augenblicklich zerschmetterst und die Überreste hinauswirfst, muß ich es selbst tun. Hier geht es um Probleme von allergrößter Tragweite, die ihrer Lösung harren. Wir haben noch keinen Aktionsplan beschlossen. Jede Sekunde ist für uns von unschätzbarer Kostbarkeit. Und da kommt dieser Mensch hier hereingeplatzt und erzählt uns Geschichten aus seinem Leben! Spink-Bottle, Sie schniefende, scheeläugige Schafsnase, werden Sie jetzt wohl endlich verschwinden!«
    Wenn die alte Anverwandte aus dem Häuschen gerät, entwickelt sie so eine Art magische Kraft, mit der es ihr im allgemeinen gelingt, sich Gehör zu verschaffen. Man hat mir erzählt, daß sie früher, als sie noch an Fuchsjagden teilnahm, ihren Willen über zwei frisch gepflügte Äcker und ein paar kleinere Gehölze hinweg kundtun konnte, und zwar mit Erfolg. Das Wort »verschwinden« hatte sie herausgeschleudert wie ein Geschoß, und Gussie, den es voll erwischte, hob ungefähr zwei Handbreit vom Teppich ab, Als er wieder festen Boden unter den Füßen hatte, war er auf einmal ganz klein und schüchtern.
    »Selbstverständlich, Mrs. Travers. Ich gehe ja schon, Mrs. Travers. Sobald die Laken funktionieren, Mrs. Travers. Wenn du jetzt mit Jeeves hier festhalten würdest, Bertie …«
    »Sie wollen an diesen Laken aus dem Fenster klettern?«
    »Jawohl, Mrs. Travers. Dann kann ich mir Berties Auto borgen und nach London fahren.«
    »Es ist aber sehr hoch.«
    »Ach, halb so schlimm, Mrs. Travers.«
    »Sie können sich das Genick brechen.«
    »Ach, das glaube ich nicht, Mrs. Travers.«
    »Aber möglich wäre es doch«, überlegte Tante Dahlia. »Komm, Bertie«, sagte sie dann freudig. »Mach schnell. Laß den Mann endlich aus dem Fenster klettern. Worauf wartest du noch?«
    Ich sah Jeeves an.
    »Fertig, Jeeves?«
    »Jawohl, Sir.« Er hüstelte diskret. »Wenn Mr. Fink-Nottle mit Ihrem Wagen nach London fährt, könnte er doch vielleicht Ihren Koffer mitnehmen und in der Wohnung abstellen.«
    Mir klappte das Kinn herunter. Tante Dahlia auch. Ich starrte ihn an. Tante Dahlia dito. Unsere Blicke kreuzten sich, und in ihrem lag derselbe Ausdruck grenzenloser Bewunderung, den sie zweifellos auch in meinem erblickte.
    Ich war überwältigt. Eben noch hatte es so ausgesehen, als könnte mich nichts mehr vor einem Fiasko bewahren. Ich hatte das Fiasko gewissermaßen schon am seidenen Faden über mir schweben gesehen. Und nun dies!
    Als Tante Dahlia von Napoleon sprach, hatte sie erwähnt, daß ihm in Notsituationen stets etwas Cleveres eingefallen sei, aber ich hätte wetten können, daß nicht mal der große Bonaparte diesen Geniestreich hätte überbieten können. Wie schon so oft in der Vergangenheit hatte Jeeves auch diesmal wieder mitten ins Schwarze getroffen und sich die Siegerpalme verdient.
    »Ja, Jeeves«, sagte ich mühsam, »da haben Sie eigentlich recht. Das könnte er wirklich tun.«
    »Jawohl, Sir.«
    »Wärst du so nett, meinen Koffer mitzunehmen, Gussie? Wenn du mit meinem Auto fährst, werde ich den Zug nehmen müssen. Ich reise nämlich selbst morgen früh ab. Und es ist doch lästig, sich mit einem Haufen Koffern abschleppen zu müssen.«
    »Selbstverständlich.«
    »Wir werden dich also an den Laken hinunterlassen und dann den Koffer hinterherwerfen. Sind Sie bereit,

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